5.1. Verstärkte erbrechtliche Bedeutungsdimension der lebzeitigen Zuwendung
Durch die Neuordnung der Anrechnungs- und Ausgleichungsvorschriften erhält die lebzeitige Zuwendung zukünftig eine deutlich stärkere erbrechtliche Bedeutungsdimension, als ihr bisher zukam. Bisher war die lebzeitige Zuwendung im Regelfall klar vom letztwilligen Rechtsgeschäft abgegrenzt und ragte nur dann in die Regelungssphäre des zukünftigen Erbfalles hinein, wenn entweder der Erblasser die Anordnung der Anrechenbarkeit oder der Ausgleichsverpflichtung bei der Zuwendung dem Zuwendungsempfänger offengelegt und auferlegt hatte oder aber ein gesetzlicher Fall der Anrechnungs- bzw. der Ausgleichsverpflichtung vorlag. Zukünftig soll der Erblasser jedoch mit jeder lebzeitigen Zuwendung, mit jedem so bereits vorzeitig geregeltem Vermögensabfluss in die nächste Generation ein höheres Maß an "Reaktionsmasse" für zukünftige Entwicklungen erhalten. Je größer die Menge der lebzeitigen Vorausverfügungen, desto größer ist zukünftig der Handlungsspielraum für den Erblasser, letztwillig innerhalb der Gruppe seiner Abkömmlinge ausdifferenzierte letztwillige Regelungen zu treffen. Die lebzeitige Übergabe von Vermögensteilen wird zukünftig über die neue Testierfreiheit des Erblassers bei Anrechung und Ausgleichung in deutlich verstärkter Form zu einem Element des "Feinjustierens" und "Nachjustierens" im Rahmen der Errichtung einer letztwilligen Verfügung. Der hiermit verbundene Gewinn an Testierfreiheit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
5.2. Begrüßenswerte Stärkung der Bedeutung von erbvertraglichen Regelwerken
Strukturell betrachtet schlägt der RegE einen Weg ein, der die Parteien des lebzeitigen Generationenvertrages (richtigerweise) dazu zwingt, Abweichungen vom (zukünftigen gesetzlichen) Normalfall erbvertraglich, also nach vorheriger notarieller Belehrung über den Bedeutungsinhalt der gewünschten Regelung, zu vereinbaren. Das schafft Rechtsklarheit. Nur durch einen erbvertraglichen Verzicht auf die Möglichkeit einer letztwilligen Anrechnungs- bzw. Ausgleichungsbestimmung erhält der Zuwendungsempfänger zukünftig die evtl. von ihm gewünschte Sicherheit. Der Dt. Notarverein hatte in seiner Stellungnahme vom 31. August 2007 als Gestaltungsmöglichkeit noch die Umkehr des bisher in den Normen des Anrechnungs- und Ausgleichungsrechtes (§ 2050 Abs. 2 und 3 BGB) niedergelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses vorgeschlagen. Nachteil dieser Gestaltung wäre aber gewesen, dass die dann ausnahmsweise im lebzeitigen Übergabevertrag getroffene Regelung der Nichtanrechnung ein pflichtteilsrelevantes "Nachjustieren", insbesondere im Sinne des § 2316 BGB, nicht ermöglicht hätte. Hier schafft die jetzt gefundene Regelung ein relativ einfach zu handhabendes letztwilliges Regelungsinstrument für den Erblasser. Die Schranke des § 2316 Absatz 3 BGB bleibt jedoch nach dem RegE weiterhin bestehen. Abgrenzungsfragen, was denn eine Ausstattung im Sinne des § 1624 BGB oder eine sonstige Zuwendung im Sinne des § 2050 Absatz 2 BGB war und insofern nicht zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten von der Anrechnung ausgeschlossen werden konnte, werden zukünftig stark an Häufigkeit zunehmen, was nochmals das praktische Bedürfnis unterstreicht, über einen klar umrissenen, nicht zu weit reichenden Zuwendungsbegriff im Sinne des § 2316 BGB verfügen zu können. Durch die nunmehr vorgesehene Gestaltungslösung wird die Bedeutung erbvertraglicher Regelwerke eindeutig gestärkt und somit auch das deutsche Notariat selbst. Dies gelingt, indem der RegE die Frage der Anrechnungs- und Ausgleichbestimmung nicht mehr als denkbare Regelungsmaterie eines lebzeitigen Generationenvertrages (zum Zwecke der Herbeiführung einer vorweggenommen Erbfolgeregelung) vorsieht, sondern diese Frage zukünftig in den Bereich der Verfügungen von Todes wegen verschiebt, um dem Erblasser so ein Handlungsmaximum im Rahmen seiner letztwilligen Verfügungen zu ermöglichen.