Leitsatz

Ist im Rahmen des Pflichtteilsrechts anders als im Insolvenzrecht nicht auf die Bereicherung des Dritten, sondern auf die Entreicherung des Vermögens des Erblassers abzustellen, ist allein die Summe der Prämien und nicht die diese übersteigende Versicherungsleistung auf den Todesfall ergänzungserheblich.

OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 19 U 140/07

Sachverhalt

Der Kläger, einziger Abkömmling des Erblassers, macht gegenüber der Beklagten, der zweiten Ehefrau und Alleinerbin des Erblassers, Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Beklagte wurde in erster Instanz zur Zahlung von 32.121,46 EUR verurteilt. (...) Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass seitens des Landgerichts im Rahmen der ergänzungspflichtigen Zuwendungen die Lebensversicherungen des Erblassers (...) jeweils mit der Versicherungsleistung auf den Todesfall (...) eingestellt wurden. Maßgebend seien vielmehr die geleisteten Prämien. (...) Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie bezüglich einer Lebensversicherung (...) von ihrem Rentenwahlrecht Gebrauch gemacht habe mit der Folge, dass sie Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu entrichten habe. (...)

Aus den Gründen

Die zulässige Berufung ist in Höhe von 20.374,83 EUR begründet. Dem Kläger steht lediglich ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung in Höhe von 11.746,63 EUR zu.

Nach § 2325 Abs. 1 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte unter der Voraussetzung, dass der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat, als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Nachlass erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Dass der Erblasser der Beklagten die Lebensversicherungen zugewandt hat und diese Zuwendungen jedenfalls hier wie Schenkungen zu behandeln sind (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1991 – IV ZR 164/90 BGHR BGB § 2287 Abs. 1 Schenkung 1; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2006, 1789), zieht die Berufung zu Recht nicht in Zweifel. Der Anspruch auf die Lebensversicherungssumme entsteht mit dem Tod des Versicherungsnehmers unmittelbar in der Person des Dritten kraft seines Bezugsrechts (§§ 330 Satz 1, 331 Abs. 1 BGB) und fällt somit nicht in den Nachlass des Versicherungsnehmers.

Mit Recht wendet sich das Rechtsmittel jedoch gegen die Auffassung der ersten Instanz, hinzuzurechnen sei im Rahmen einer Pflichtteilsergänzung die Lebensversicherungssumme. Die Auszahlung der Lebensversicherungsleistung an die bezugsberechtigte Beklagte stellt keine Schenkung im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB dar. Für eine Schenkung ist erforderlich, dass der Zuwendende und der Zuwendungsempfänger über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind und dass der Empfänger aus dem Vermögen des Zuwendenden bereichert wird. An Letzterem fehlt es. Bei einem Lebensversicherungsvertrag, den der Versicherungsnehmer mit einem Versicherer für den Fall des Todes zugunsten eines bezugsberechtigten Dritten abschließt, erwirbt dieser gem. den §§ 328, 330, 331 BGB unmittelbar das Recht, die Leistung zu fordern. Die Versicherungssumme selbst hat niemals zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehört, sondern fällt dem Dritten direkt aus dem Vermögen des Versicherers zu. Gleichfalls ist der von dem Kläger hilfsweise herangezogene Rückkaufswert nicht Gegenstand der Zuwendung, weil dieser mit dem Todesfall hinfällig geworden ist (Staudinger/Olshausen BGB [2006] § 2325 Rn 38). Lediglich die vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien stammen aus seinem Vermögen und nur um diese ist der Dritte unmittelbar bereichert. Gegenstand der Schenkung sind im Falle einer Bezugsberechtigung aus einem Lebensversicherungsvertrag daher nur die Prämien, nicht aber die Lebensversicherungssumme selbst (RGZ 128, 187, 190; BGHZ 7, 134, 142 f; BGH, Urt. v. 4. Februar 1976 – IV ZR 156/73 FamRZ 1976, 616 m. krit. Anm. Harder; BGH, Urteil v. 1. April 1987 – IV a ZR 26/86, NJW 1987, 3131; BGHZ 133, 377, 380).

Daran ist auch nach der Entscheidung des u. a. für Rechtsstreitigkeiten über Insolvenz zuständigen IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 23. Oktober 2003 – IX ZR 252/01 (BGHZ 156, 350), die die erste Instanz für ihre gegenteilige Auffassung heranzieht, festzuhalten. Allerdings gelangt der IX. Zivilsenat bei der Anfechtung unentgeltlicher Leistungen nach den §§ 134, 143 InsO zu dem Ergebnis, dass dann, wenn der Schuldner für eine von ihm abgeschlossene Lebensversicherung einem Dritten ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt hat, sich nach Eintritt des Versicherungsfalls der Anfechtungsanspruch gegen den Dritten auf Auszahlung der vom Versicherer geschuldeten Versicherungssumme und nicht auf Rückgewähr der vom Schuldner geleisteten Prämien richtet. Dabei hat der IX. Senat des Bundesgerichtshofes zur Begründung ausgeführt, wenn der Schuldner während der kritischen Zeit dem Anfechtungsgegner etwas im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter zuwende und es sich dabei im Valutaverhältnis um eine unentgeltliche Leistung handele, sei der Verwalter in der Insolvenz des Schuldners als Versprechensempfänger gemäß den §§ 134...

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