Delikat wirkt die Besteuerung von sogenannten Zinseinkünften (Kapitalerträgen). Dabei geht es hier nicht um die strittige finanzamtliche Praxis bei der Überprüfung mittels Kontrollmitteilungen. Unter dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) ist systematisch eine auf die Lebenszeit bezogene – statt wie bisher periodisch jährliche – Betrachtung geboten (sog. intertemporale Neutralität). Kapitaleinkommen wird aber unter der geltenden Besteuerung, wie vielfach bereits belegt, unter Verletzung des Prinzips der Leistungsfähigkeit grundsätzlich gegenüber sogleich konsumierten Arbeitseinkommen diskriminiert.
Das ist elementar, weil die Sparquote volkswirtschaftlich zentral steht und in Deutschland traditionell hoch liegt. Sie schwankte von 1991 bis 2007 zwischen 9,2 und 12,9 % vom verfügbaren Einkommen; für das Jahr 2008 liegt sie bei rund 11 %. Das ist zwar rückläufig, im internationalen Vergleich aber eine weiterhin beachtliche Quote (vgl. in 2008 etwa China 45 %, Frankreich 13 %, USA 2 % und EU 10 %). In absoluten Zahlen sparten deutsche Haushalte jährlich zwischen 123 und 168 Milliarden EUR (1998–2007).
Diskriminierend wirkt das Nominalwertprinzip (s. III). Die herkömmliche periodische Besteuerung von Kapitaleinkommen ist auf die nominalen Zinseinkünfte bezogen, die Inflationswirkung wird ignoriert. Das Bundesverfassungsgericht vermerkte schon eine "gesteigerte Inflationsanfälligkeit". Dabei dämpfte früher noch der Sparerfreibetrag. Dieser wurde aber von umgerechnet 3.068 EUR im Jahr 1999 auf nur noch 750 EUR (2008) gesenkt. Entsprechend gilt ab 2009 mit der Abgeltungsteuer der Sparerpauschbetrag (801 EUR). Diese angebliche "Steuervergünstigung" steht aber quantitativ nicht in Relation zum tatsächlich vom Steuerpflichtigen eingesetzten Kapital.
Die Inflation wirkt in der Praxis massiv. Selbst bei der von der Europäischen Zentralbank propagierten "Preisstabilität": Sie soll gewahrt sein bei einer Inflation von knapp unter 2 % (sic!), während aber sogar nach offizieller Berechnung der tatsächliche Wert für 2008 bei 2,6 % liegt (und der Leitzins nur 2,50 % beträgt).
Die Wirkung zeigen einfache Beispiele: Bei einem nominalen Zinssatz auf Tagesgeld von 4 % beträgt die Realverzinsung nur 1,4 %; beim Sparbuch mit derzeit unter 1 % Nominalzins ist die Realverzinsung sogar negativ. Die Steuern erfassen aber die nominalen "Kapitaleinkünfte". Besteuert werden also faktisch Verlustpositionen (fiktive Einkünfte).