1. Bewertungsbasis und Inflation
Angesichts der Garantie von Eigentum und Erbrecht (Art. 14 GG) mangelt die Bewertungsbasis. Das Bundesverfassungsgericht hat für eine Reform der Erbschaftsteuer festgestellt: Die Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs nach § 19 Abs. 1 ErbStG verstoße gegen das Grundgesetz, weil "sie an Steuerwerte anknüpft, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht genügt".
Das gilt im Sinne des genannten Prinzips der Leistungsfähigkeit; praktisch steht es vor allem im Kontext der Unternehmensbewertung (s. VI.). Allgemeiner Natur ist der steuerliche Effekt, der durch fortlaufende Geldentwertung erzielt wird. Wir sahen schon: Durch maßlose Steigerung von Papier- und Buchgeld (Ersatzgeld) wird staatlich inflationiert. Der Gewohnheitsfaktor vermittelt uns das als unbedenklich, lässt die dabei wirkende Geldpolitik praktisch als Naturgesetzlichkeit erscheinen.
Die fatale Wirkung zeigen unsere Rechtskategorien. Die sinkende Kaufkraft der Geldeinheit (z. B. Euro), die gemeinhin als "Preissteigerung" empfunden wird, ist nur das Ergebnis. Die Ursache ist, dass überproportionales Geldmengenwachstum das Austauschverhältnis von Geld zu allen anderen Gütern in der Realwirtschaft im Zeitablauf zulasten des Geldes verschiebt. Nominal fixierte Schuldversprechen (Geldbetragsschulden) verlieren damit Wert. Das gilt für die Banknoten wie in privaten Schuldverhältnissen: Inflation entschuldet die Schuldner zulasten der Gläubiger. Beispiele geben regelmäßig z. B. Ansprüche auf Darlehensrückzahlung (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) und Miete (§ 535 Abs. 2 BGB). Allgemein betroffen sind Eigentumspositionen (Vermögenspreisinflation).
Wertbeständig sind Geldwertschulden, z. B. Ansprüche auf Schadensersatz (§ 249 Satz 1 BGB) und inflationsgeschützte Schuldverschreibungen. Vertragliche Wertsicherungsklauseln sind aber gesetzlich nur begrenzt zulässig (s. IX.3.). Inflationierung ist so ein mächtiges Ordnungsinstrument, mit dem politisch Entschuldung betrieben wird: Nominalschulden werden später mit "billigem" Geld bezahlt. Das ist Besteuerung ohne gesetzliche Grundlage. Eine gigantische Vermögensverschiebung, wie die Praxis belegt (s. 3. und VII.).
2. Verlustbesteuerung
Delikat wirkt die Besteuerung von sogenannten Zinseinkünften (Kapitalerträgen). Dabei geht es hier nicht um die strittige finanzamtliche Praxis bei der Überprüfung mittels Kontrollmitteilungen. Unter dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) ist systematisch eine auf die Lebenszeit bezogene – statt wie bisher periodisch jährliche – Betrachtung geboten (sog. intertemporale Neutralität). Kapitaleinkommen wird aber unter der geltenden Besteuerung, wie vielfach bereits belegt, unter Verletzung des Prinzips der Leistungsfähigkeit grundsätzlich gegenüber sogleich konsumierten Arbeitseinkommen diskriminiert.
Das ist elementar, weil die Sparquote volkswirtschaftlich zentral steht und in Deutschland traditionell hoch liegt. Sie schwankte von 1991 bis 2007 zwischen 9,2 und 12,9 % vom verfügbaren Einkommen; für das Jahr 2008 liegt sie bei rund 11 %. Das ist zwar rückläufig, im internationalen Vergleich aber eine weiterhin beachtliche Quote (vgl. in 2008 etwa China 45 %, Frankreich 13 %, USA 2 % und EU 10 %). In absoluten Zahlen sparten deutsche Haushalte jährlich zwischen 123 und 168 Milliarden EUR (1998–2007).
Diskriminierend wirkt das Nominalwertprinzip (s. III). Die herkömmliche periodische Besteuerung von Kapitaleinkommen ist auf die nominalen Zinseinkünfte bezogen, die Inflationswirkung wird ignoriert. Das Bundesverfassungsgericht vermerkte schon eine "gesteigerte Inflationsanfälligkeit". Dabei dämpfte früher noch der Sparerfreibetrag. Dieser wurde aber von umgerechnet 3.068 EUR im Jahr 1999 auf nur noch 750 EUR (2008) gesenkt. Entsprechend gilt ab 2009 mit der Abgeltungsteuer der Sparerpauschbetrag (801 EUR). Diese angebliche "Steuervergünstigung" steht aber quantitativ nicht in Relation zum tatsächlich vom Steuerpflichtigen eingesetzten Kapital.
Die Inflation wirkt in der Praxis massiv. Selbst bei der von der Europäischen Zentralbank propagierten "Preisstabilität": Sie soll gewahrt sein bei einer Inflation von knapp unter 2 % (sic!), während aber sogar nach offizieller Berechnung der tatsächliche Wert für 2008 bei 2,6 % liegt (und der Leitzins nur 2,50 % beträgt).
Die Wirkung zeigen einfache Beispiele: Bei einem nominalen Zinssatz auf Tagesgeld von 4 % beträgt die Realverzinsung nur 1,4 %; beim Sparbuch mit derzeit unter 1 % Nominalzins ist die Realverzinsung sogar negativ. Die Steuern erfassen aber die nominalen "Kapitaleinkünfte". Besteuert werden also faktisch Verlustpositionen (fiktive Einkünfte).