1. Erbschaftsteuerrecht
Bleiben wir noch bei Eigentum und Besteuerung, namentlich beim Erbfall. Dabei geht es – wie bei Schenkungen (§ 516 BGB) – um den Übergang von Vermögen, hier vom Erblasser auf den oder die Erben. Bewertungsrecht steht auch dabei zentral (s. IV.2.). Das Bundesverfassungsgericht hat 2006 zum Erbschaftsteuerrecht, das den anfallenden Vermögenszuwachs besteuerte (Substanzsteuer), allgemein fixiert: "Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage muss (...) einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein."
Die Richter urteilten aufgrund der gesetzlichen Belastungsentscheidung weiter: Die Bewertungsmethoden für die Ermittlung des Wertes der Bereicherung müssten gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Bei der darauf bauenden Bestimmung der Steuerbelastung dürfe der Gesetzgeber Lenkungszwecke ausgestalten, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen.
Das klingt zunächst klar. Insgesamt bleibt aber ein weites, ebenfalls steuersystematisch strittiges Feld. Nach der Reform des Erbschaftsteuerrechts kann Betriebsvermögen gesetzlich bedingt sogar steuerfrei vererbt werden. Belastungsunterschiede zeigten schon Vergleiche zum alten Recht. Bei Nichteinhaltung der Bedingungen bzw. sehr ertragsstarken Unternehmen kann der Steuerwert erheblich steigen. Das Ganze hängt hier wie allgemein an Bewertungsfragen; gewohnt z. B. an erwarteten Erträgen sowie Kalkulationszinssätzen. Was aber vor allem meinen die Richter mit dem "gemeinen Wert"?
2. Kernaspekte der Bewertung
Was ist ein Unternehmen bzw. ein Anteil an einem Unternehmen wert? – Das ist die Kernfrage für den Eigentümer (Anteilseigner). Sie stellt sich vielfältig im Rechtsverkehr. Namentlich bei Unternehmenskäufen (Mergers & Acquisitions) und vor allem bei der Barabfindung von Gesellschaftern; z. B. beim Ausscheiden aus einer Personengesellschaft, GmbH oder AG (§§ 304 f AktG; § 31 WpÜG), beim familienrechtlichen Zugewinnausgleich mit Unternehmensbeteiligung (§§ 1376, 1378 BGB), bei Umwandlungen gemäß UmwG.
Gesellschaftsanteile sind Eigentum. Sie bieten den verfassungsrechtlichen Schutz von Art. 14 GG. Gesellschaftsanteile (z. B. Aktien) geben Anteil an realen Unternehmenswerten, also an der Realwirtschaft und deren Entwicklung. Das zeigt sich besonders scharf in Krisen, namentlich Währungsreformen. Rechtlich teilten sie bisher nicht das Schicksal von Geldsummenansprüchen (Schulden), die durch Umstellung schlicht nominal – also zulasten der Gläubiger (Sparer) – abgewertet worden sind; z. B. 1948 bei der Einführung der Deutschen Mark im Verhältnis 10 Reichsmark gleich 1 Deutsche Mark (§ 16 UmstG).
Gesellschaftsanteile verkörpern Sachwerte (Geldwertansprüche). So entgehen sie der inflationsbedingten Vernichtung von Sparvermögen und anderen nominal fixierten Zahlungsansprüchen wie z. B. in der Regel bei Unternehmensanleihen (bonds, debentures; s. IX.). Das Bundesverfassungsgericht hat für die Barabfindung von Gesellschaftern entschieden, dass "volle Entschädigung" zu gewährleisten ist. Insgesamt geht es um Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG); hier mit der gesetzlichen Möglichkeit, die Angemessenheit der Abfindung gerichtlich im Spruchverfahren prüfen zu lassen.
3. Faktenbasis und Vermögensverschiebung
Mit dem Bundesgerichtshof hat die Zivilrechtsprechung die Position übernommen. Bei Aktiengesellschaften markiert der Börsenkurs eigentumskräftig das Maß der Mindestentschädigung für Minderheitsaktionäre bei unternehmerischen Strukturentscheidungen (Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, Verschmelzung, Squeeze-out). Das folgt der Natur der Aktiengesellschaft als Unternehmensform: Sie ist Inbegriff einer Marktveranstaltung, bei der über Angebot und Nachfrage börsentäglich der Anteilswert (Aktienkurs) frei ausgehandelt wird. Summarisch ergibt das den Marktwert des Unternehmens.
Die Aktie ist insofern ein besonderes Eigentumsrecht. Dabei greifen Abweichungen vom Börsenkurs, um unangemessene Verschiebung von Vermögen zu vermeiden. Anlass geben namentlich Kursmanipulationen; in Betracht kommen z. B. Derivategeschäfte wie Credit Default Swaps, die auf Schieflagen von Unternehmen wetten und solche auch selbst bewirken. Krisenbedingt sind Börsengesellschaften, also Substanzwerte (s. VII.1.), zum Nachteil der Minderheitsaktionäre zu Discountpreisen übernehmbar.