S1 hat nicht ausgeschlagen, aus welchem Grunde auch immer. Welche wirtschaftliche Nachlassbeteiligung steht ihm nunmehr zu?
1.2.1 Die allgemeinen Rechtsfolgen der Annahme
Nimmt der Pflichtteilsberechtigte das ihm Hinterlassene an, bleibt er Erbe mit allen sich daraus ergebenden Beschränkungen und Beschwerungen, die in vollem Umfang bestehen bleiben, er hat keinen Anspruch darauf, dass ihm etwas aus der Erbschaft verbleibt. Nimmt er die Hinterlassenschaft an, entfällt sein Pflichtteilsanspruch auch dann, wenn er infolge der Belastungen weniger als den Wert des Pflichtteils erhält.
Daraus folgt für den Ausgangsfall: S1 und S2 werden Miterben zu je 1/2. Das Vorausvermächtnis als Nachlassverbindlichkeit ist vorab von dem zu verteilenden Nachlass in Abzug zu bringen und führt demnach zu einer Minderung des Nachlasses insgesamt: Von dem tatsächlichen Nachlass verbleiben 35.000,00 EUR. Diese stehen S1 und S2 je zur Hälfte zu. S1 erhält insgesamt 17.500,00 EUR, S2 42.500,00 EUR.
Das bedeutet weiter, dass S1 trotz des ihn beschwerenden Vermächtnisses 2.500,00 EUR mehr erhält, als ihm sein ordentlicher Pflichtteil eingebracht hätte.
1.2.2 Pflichtteilsergänzung
Nun ist allerdings der Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berücksichtigen. Da S2 einschließlich des ihm zugewandten Vermächtnisses bereits 42.500,00 EUR erhalten hat, kann er nichts mehr fordern. § 2326 S. 2 BGB erfasst neben der Erbeinsetzung des Pflichtteilsberechtigten auch Zuwendungen an diesen durch Vermächtnisse.
Gänzlich anders gestaltet sich die Situation für S1. Er erhält tatsächlich nur 17.500,00 EUR und damit weniger als seinen Gesamtpflichtteil. Es fehlen 7.500,00 EUR. S1 fragt sich, ob und gegebenenfalls von wem er den Fehlbetrag fordern kann.
1.2.2.1 § 2318 BGB als Lösung?
Man könnte § 2318 BGB zurate ziehen. Die Norm regelt, wie die Pflichtteilslast, die grundsätzlich die Erben trifft, auf die anderen Nachlassbeteiligten zu verteilen ist, also beispielsweise auf Miterben, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte. Vorliegend geht es zwar um einen Pflichtteilsanspruch und auch um ein Vermächtnis, trotzdem hilft die Vorschrift nicht weiter.
§ 2318 Abs. 1 BGB gibt dem Erben eine Einrede, durch die er eine Kürzung der ihn treffenden Pflichtteilslast erreichen kann, die von den weiteren Nachlassbeteiligten entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis am Nachlass mitzutragen ist. S1 ist zwar Erbe, er sieht sich aber keinem Pflichtteilsanspruch ausgesetzt, vielmehr ist er der Pflichtteilsberechtigte selbst. § 2318 Abs. 1 BGB ist nicht einschlägig. Das gilt auch für § 2318 Abs. 2 BGB.
Schaut man sich § 2318 Abs. 3 BGB an, könnte man geneigt sein, die Vorschrift auf Fälle der vorliegenden Art anzuwenden, ein Blick in die Kommentarliteratur verleitet beinahe dazu. So ist das sog. erweiterte Kürzungsrecht des § 2318 Abs. 3 BGB nur im Zusammenhang mit § 2306 BGB verständlich. § 2318 Abs. 3 BGB ist von Bedeutung, wenn der dem pflichtteilsberechtigten Erben hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt, er mithin gemäß § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB hätte ausschlagen können, dies allerdings versäumt hat.
Weitere Voraussetzung für das erweiterte Kürzungsrecht des § 2318 Abs. 3 BGB aber ist wie in den Fällen der Absätze 1 und 2, dass den pflichtteilsberechtigten Erben neben Vermächtnissen und Auflagen eine weitere Pflichtteilslast trifft. Die Vorschrift betrifft ausschließlich die Konkurrenzverhältnisse beim Zusammentreffen von eigenem Pflichtteil des Erben, Vermächtnissen, Auflagen und Pflichtteilsansprüchen Dritter. Das aber ist gerade nicht der Fall. Es fehlt an einem Pflichtteilsanspruch eines Dritten. Und: Beeinträchtigt bereits allein das Vermächtnis den Pflichtteil des Erben, dann ist dieser Pflichtteil nicht durch § 2318 Abs. 3 BGB geschützt.
1.2.2.2 Die Lösung: § 2326 S. 2 BGB
Schlägt der pflichtteilsberechtigte Erbe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB nicht aus, muss er sich Beschränkungen und Beschwerungen auch dann gefallen lassen, wenn er dadurch weniger empfängt, als sein Pflichtteil ausmacht; Ergänzung des Pflichtteils kann er nur nach § 2326 S. 2 BGB fordern; Vermächtnisse hat er voll zu tragen.
Bei dem Ergänzungsanspruch wegen Schenkungen des Erblassers an Dritte haben Beschwerungen und Beschränkungen bei der Berechnung d...