Nach der geplanten Änderung des § 2306 Abs. 1 BGB bliebe das zugunsten von S2 angeordnete Vermächtnis wirksam. Im dem Regierungsentwurf heißt es hierzu, dass die Vorschrift daher nicht lediglich vorteilhaft sei. Ein automatisches Entfallen von Beschränkungen und Beschwerungen wird es dann nicht mehr geben, unabhängig davon, mit welcher Erbquote der Pflichtteilsberechtigte zum Miterben berufen ist.
4.2.1 Ausschlagung
Unterstellt, S1 hätte die ihm hinterlassene Erbschaft ausgeschlagen, was erforderliche wäre, um sich der Vermächtnislast zu entledigen:
4.2.1.1 Beispielsfall 1
Es ergibt sich keine Änderung zum geltenden Recht. S1 hätte als ordentlichen Pflichtteil von S2 15.000,00 EUR (1/4 von 60.000,00 EUR) erhalten und darüber hinaus 10.000,00 EUR Pflichtteilsergänzung. Schuldner wäre allein S2, dem 35.000,00 EUR verblieben (s. o. 4.1).
4.2.1.2 Beispielsfall 2
Hier sieht die Situation anders aus. Zwar bliebe es bei einem ordentlichen Pflichtteilsanspruch des S1 in Höhe von 15.000,00 EUR. Aber: Da seit der Schenkung des Erblassers an seine Lebensgefährtin vom Todeszeitpunkt an gerechnet mehr als fünf Jahre vergangen sind, wäre die Schenkung nur noch in Höhe von 5/10, also 20.000,00 EUR, zu berücksichtigen. Es ergäbe sich ein fiktiver Nachlass von 80.000,00 EUR und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von (20.000,00 EUR ./. 15.000,00 EUR =) 5.000,00 EUR.
Anspruchsgegner wäre S2, dem von insgesamt 60.000,00 EUR nach Abzug des Gesamtpflichtteils des S1 40.000,00 EUR verblieben.
4.2.1.3 Beispielsfall 3
Wiederum ergäben sich – mit Ausnahme der Notwendigkeit der Ausschlagung überhaupt – keine Abweichungen vom geltenden Recht. S1 stünden 10.000,00 EUR und weitere 15.000,00 EUR zu, wobei auf die Lebensgefährtin des Erblassers 10.000,00 EUR an Pflichtteilsergänzung entfielen.
4.2.1.4 Beispielsfall 4
Bei dieser Konstellation zeigen sich die Änderungen. Der ordentliche Pflichtteilsanspruch von S1 beläuft sich auf 10.000,00 EUR. Die Schenkung wäre nur noch in Höhe von 30.000,00 EUR zu berücksichtigen, sodass sich der fiktive Nachlass auf 70.000,00 EUR reduzieren würde. Es ermittelt sich ein Gesamtpflichtteil des S1 von (70.000,00 : 4 =) 17.500,00 EUR und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch von nunmehr 7.500,00 EUR. Diesen hätte S2 gemäß § 2328 BGB zu bedienen. Denn: Auch S2 selbst ist über die genannte Vorschrift nur bis zu einem Betrag von 17.500,00 EUR geschützt, der ihm als Gesamtpflichtteil zu verbleiben hätte. Tatsächlich erhält er (40.000,00 EUR ./. 10.000,00 EUR ./. 7.500,00 EUR =) 22.500,00 EUR.