Materiellrechtliche Eröffnungsvoraussetzungen sind die (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung des Schuldners. Bei der Beurteilung sowohl der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit als auch der Überschuldung spielen die Verbindlichkeiten eine entscheidende Rolle. Im Eröffnungsverfahren ist es nicht möglich, die Berechtigung von Forderungen gegen den Schuldner abschließend zu prüfen. Das ist auch nicht Aufgabe eines vom Gericht beauftragten Gutachters. Eine genauere rechtliche Prüfung der Verbindlichkeiten kann allenfalls dann geboten sein, wenn ihre Berechtigung im Streit steht.
1.1 Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, § 17 Abs. 2 InsO. Dogmatisch bedeutet Zahlungsunfähigkeit einen Mangel an Liquidität auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogen, nicht auf einen Zeitraum. Die Rechtsprechung definiert eine Liquiditätslücke des Schuldners von 10 % oder mehr als Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, es wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Liquiditätslücke innerhalb von drei Wochen beseitigt wird und den Gläubigern ein solches Zuwarten zugemutet werden kann. Anders formuliert: Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die liquiden Mittel des Schuldners nicht ausreichen, wenigstens 90 % der fälligen Passiva zu decken. Das Ausmaß der Unterdeckung ergibt sich aus einer stichtagsbezogenen Gegenüberstellung aller aktuell verfügbaren und kurzfristig verfügbar werdenden Mittel auf der einen Seite mit allen fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten auf der anderen Seite. Liquiditätsengpässe in Form vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten gelten als Zahlungsunfähigkeit, wenn sie mehr als drei Wochen dauern.
1.2 Stellt der Schuldner selbst den Eröffnungsantrag, ist schon die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund (§ 18).
1.3 Die Überschuldung ist ein alternativer Eröffnungsgrund bei juristischen Personen (§ 19 Abs. 1), nicht aber bei natürlichen Personen und Personengesellschaften mit Ausnahme der GmbH & Co. KG (§ 19 Abs. 3 iVm § 11 Abs. 2 Nr. 1). Überschuldung liegt vor, wenn die Passiva größer sind als der Wert des Aktivvermögens des Schuldners. Zur Feststellung der Wertrelation sind gemäß § 19 Abs. 2 in der Regel Liquidationswerte und nicht Betriebsfortführungswerte festzustellen.
1.4 Neben einem materiellrechtlichen Eröffnungsgrund bedarf es ausreichend liquider Aktiva, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Fehlt es daran, wird die Eröffnung mangels Masse abgewiesen (§ 26 Abs. 1 Satz 1), es sei denn, dass ein Massekostenvorschuss geleistet wird. Interesse an einer solchen Vorschussleistung kann zum Beispiel ein dinglich gesicherter (absonderungsberechtigter) Gläubiger haben, der sich im Falle des freihändigen Verkaufs des Pfandobjekts durch einen Insolvenzverwalter einen höheren Erlös im Vergleich zur Zwangsvollstreckung verspricht. Eine Abweisung mangels Masse darf nur dann erfolgen, wenn das gegenwärtige und künftig zu erwartende Vermögen des Schuldners nicht einmal ausreicht, um die Kosten zu decken. Damit sind nur die in § 54 aufgeführten Kosten gemeint, nicht sonstige Masseverbindlichkeiten. Die voraussichtliche Verfahrenskostendeckung ist immer dann zu bejahen, wenn sie überwiegend wahrscheinlich ist. Sie muss deshalb auch Vermögensobjekte im Blick haben, die mehr oder weniger rasch in Geld umzuwandeln sind, z. B. durch Einzug von Forderungen oder Durchsetzung anfechtungsrechtlicher Ansprüche (dazu unten, 4.), sodass fehlende Anfangsliquidität unschädlich ist. Ein Verfahren kann also trotz fehlender aktueller Liquidität eröffnet werden.