1. Die Anfechtung im System des Insolvenzrechts
1.1 Grundsätzlich gehören Gegenstände, die der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert hatte, nicht zur Insolvenzmasse. Das Insolvenzverfahren wird im Interesse aller Gläubiger durchgeführt. Die Insolvenzmasse soll deshalb allen Gläubigern als Gesamtheit zur Befriedigung zur Verfügung stehen. Diesem Zweck dient die Regelung des § 81, wonach Verfügungen des Schuldners über Gegenstände der Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung unwirksam sind. Auch die Vorschriften der §§ 82 und 91 dienen diesem Zweck.
1.2 Um zu vermeiden, dass der Schuldner kurz vor der Insolvenzeröffnung Vermögen beiseite schafft oder dass sich einzelne Gläubiger im Wege der Einzelvollstreckung kurz vor Insolvenzeröffnung Vorteile verschaffen, geht die Insolvenzordnung noch einen Schritt weiter: Zugunsten der Gläubigergesamtheit verlagert sie den maßgeblichen Zeitpunkt vor. Das Vehikel hierzu ist die Insolvenzanfechtung. Sie erlaubt es, Vermögen zur Masse zurückzugewinnen, das vor Verfahrenseröffnung bereits wirksam aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden war. Mit einer Anfechtung nach den §§ 119 ff BGB hat dies nichts zu tun.
2. Gemeinsame Voraussetzungen
2.1 Gemeinsame Voraussetzung aller Anfechtungstatbestände ist die Vornahme einer Rechtshandlung. Dieser Begriff wird weit gefasst: Er beinhaltet jedes Verhalten, das rechtliche Wirkungen auslöst, also aktives Tun, Unterlassen, rechtsgeschäftliche Handlungen, aber auch Realakte. Die Rechtshandlung kann auch von einem Dritten ausgehen.
2.2 Die Rechtshandlung muss vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein, § 129.
2.3 Weitere gemeinsame Voraussetzung ist die objektive Benachteiligung der Gläubiger in ihrer Gesamtheit. Grundsätzlich genügt dabei jede mittelbare Benachteiligung, sofern nicht das Gesetz in einzelnen Anfechtungstatbeständen (§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 1) eine unmittelbare Benachteiligung fordert.
2.4 Ungeschriebene Voraussetzung für jede Insolvenzanfechtung ist schließlich ein Kausalzusammenhang zwischen der angefochtenen Rechtshandlung und der Masseschmälerung. Erforderlich ist, dass die Gesamtheit der Gläubiger ohne die anzufechtende Rechtshandlung eine günstigere Befriedigungsmöglichkeit gehabt hätte.
3. Die einzelnen Anfechtungstatbestände
Die §§ 130 bis 132 beinhalten Anfechtungstatbestände, die inhaltlich nicht mit den Anfechtungstatbeständen nach dem AnfG korrelieren. Deshalb spricht man hier von der "besonderen Insolvenzanfechtung". Gleichwohl handelt es sich auch bei den Tatbeständen der §§ 133 ff um Formen der Insolvenzanfechtung.
Die einzelnen Anfechtungstatbestände unterscheiden sich neben der (Un-)Mittelbarkeit des Nachteils, nach objektiven und subjektiven Voraussetzungen sowie nach zeitlichen Grenzen.
3.1 Am weitesten wird die zeitliche Grenze im Falle der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung iSv § 133 gezogen. Hat der Schuldner eine Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen, seine Gläubiger zu benachteiligen, und war dem Empfänger dieser Vorsatz im Zeitpunkt (Definition in § 140) der Rechtshandlung bekannt, sind Rechtshandlungen im Zeitraum von zehn Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags bis zur Verfahrenseröffnung anfechtbar. Dabei genügt jede mittelbare Benachteiligung, z. B. der Verkauf eines Grundstücks unter Wert. Beim Vorsatz des Schuldners genügt dolus eventualis. Auf Seiten des Anfechtungsgegners genügt grob fahrlässige Unkenntnis des Benachteiligungsvorsatzes nicht. Allerdings existiert in § 133 Abs. 1 Satz 2 eine (widerlegliche) Vermutungsregel zulasten des Anfechtungsgegners. Wird ein entgeltlicher Vertrag mit einer nahestehenden Person vorgenommen, die zu einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führt, werden sowohl der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners als auch die Kenntnis des Gegners gemäß § 133 Abs. 2 vermutet, sofern die Rechtshandlung innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzantrag stattgefunden hat. Anders als bei der besonderen Insolvenzanfechtung nach den §§ 130 bis 132 ist es nicht möglich, reine Zwangsvollstreckungshandlungen nach § 133 anzufechten.
3.2 Unentgeltliche Leistungen des Schuldners sind auch ohne jeden Benachteiligungsvorsatz anfechtbar, sofern sie innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden, § 134. Dazu zählen auch gemischte Schenkungen. In den Kontoauszügen des Erblassers finden sich bisweilen Hinweise auf geleistete Versicherungsprämien, so auch zu Lebensversicherungsverträgen. Die Anfechtung der ausbezahlten Versicherungssumme nach § 134 kann zu einer sprunghaften Vergrößerung der Masse führen. War ein Bezugsrecht widerruflich eingeräumt, erlangt der Begünstigte erst mit dem Versicherungsfall, also dem Todesfall, eine dingliche Rechtsstellung. Die Auszahlung der Versicherungssumme ist als unentgeltliche Leistung anfechtbar.
Im Falle eines unwiderruflichen Bezugsrechts entsteht die Berechtigung des Begünstigten mit der Einräumung. Liegt dieser Ze...