Leitsatz
Zur (verweigerten) Grundbucheinsicht für den Abkömmling einer Pflichtteilsberechtigten bei einem ca. 70 Jahre zurückliegenden Erbfall und der Grundbucheintragung der Erbin im Jahr 1940.
OLG München, Beschluss vom 13. Januar 2011 – 31 Wx 132/10
Sachverhalt
Die Beteiligte hat am 16.7.2009 beim Grundbuchamt um Einsicht in das Grundbuch hinsichtlich eines bestimmten bebauten Grundstücks nachgesucht mit der Begründung, ihr am 12.11.1939 verstorbener Großvater mütterlicherseits, Johann B., sei damals der Eigentümer gewesen. Nach dessen Tod sei das Anwesen an seine zweite Ehefrau übergegangen und die drei ehelichen Kinder aus der ersten Ehe, u. a. ihre Mutter, seien leer ausgegangen. Sie vermute, dass es sich damals um einen Betrug gehandelt habe. Sie wolle endlich klären, wie der damalige Gesamtbesitz in die Hände der jetzigen – ihr namentlich bekannten – Eigentümer gelangt sei.
Der Urkundsbeamte des Grundbuchamts hat der Beteiligten mit Schreiben vom 14.8.2009 mitgeteilt, ihrem Einsichtsgesuch in die Grundakte könne nicht entsprochen werden. Ergänzend wurde ihr mitgeteilt, dass im historischen Grundbuch als Eigentümerin nach dem Tod ihres Großvaters mütterlicherseits unter dem 9.3.1940 die zweite Ehefrau desselben als Alleineigentümerin und Anerbin aufgrund Erbfolge laut Ehe- und Erbvertrag vom 8.1.1918 und Protokoll des Amtsgerichts R. vom 10.1.1940 eingetragen worden sei. Aufgrund einer Korrespondenz mit dem Nachlassgericht sei der verstorbenen Mutter der Beteiligten spätestens Anfang 1989 die Erbfolge bekannt gewesen.
Das als Erinnerung vom 24.8.2009 behandelte Schreiben hat der Grundbuchrichter mit Beschluss vom 14.9.2009 zurückgewiesen, der Beschwerde vom 2.10.2009 hat das Landgericht mit Beschluss vom 2.2.2010 nicht stattgegeben. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, die zunächst eigenhändig und sodann am 25.10.2010 zu Protokoll des Rechtspflegers des Beschwerdegerichts eingelegt wurde. Diese macht im Wesentlichen geltend, aus dem Erbfall noch unverjährte Ansprüche gegen den derzeit eingetragenen Eigentümer zu besitzen. Die damalige Grundbucheintragung beruhe auf betrügerischem Vorgehen. Ihr sei zugetragen worden, dass der Eigentumsübergang nicht auf Erbfolge, sondern auf Bestimmung durch den Gemeindevorsteher beruht habe. Ihre Mutter sei im Übrigen nicht in der Lage gewesen, Pflichtteilsansprüche gegen die damals als Eigentümerin eingetragene Witwe des Erblassers geltend zu machen.
Aus den Gründen
Der Senat hat auf der Grundlage des bis 1.9.2009 geltenden Verfahrensrechts zu entscheiden (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG), weil der verfahrenseinleitende Antrag auf Grundbucheinsicht vor diesem Zeitpunkt gestellt wurde.
Die statthafte und im Übrigen zu Rechtspflegerprotokoll auch zulässig eingelegte weitere Beschwerde (§ 78 GBO aF, § 80 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 73 GBO) hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Beteiligten stehe kein Einsichtsrecht zu. Ein berechtigtes Interesse habe jeder, dem ein Recht am Grundstück oder an einem Grundstücksrecht zustehe, mag er nun als Berechtigter eingetragen sein oder nicht. Nach diesen Grundsätzen sei zunächst festzustellen, dass der Beteiligten selbst kein Recht am Grundstück zustehe. Die Beteiligte trage selbst vor, dass das Anwesen nach dem Tod des Großvaters an dessen zweite Ehefrau übergegangen sei. Dies decke sich mit der Mitteilung des Grundbuchamts vom 14.8.2009.
Soweit die Beteiligte sich darauf berufe, die drei Kinder aus der ersten Ehe des Erblassers seien hinsichtlich ihrer erbrechtlichen Ansprüche übergangen worden, so könne zwar grundsätzlich auch ein wirtschaftliches Interesse einen Anspruch auf Grundbucheinsicht begründen. Vorliegend sei jedoch zu berücksichtigen, dass die gegenständliche Erbfolge im Jahre 1940 erfolgt sei. Angesichts der mittlerweile vergangenen 70 Jahre seien etwaige Ansprüche verjährt, könnten nicht mehr geltend gemacht werden und daher auch kein wirtschaftliches Interesse an einer Grundbucheinsicht begründen.
2. Im Ergebnis hält dies rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Nach § 12 Abs. 1 GBO ist die Einsicht in das Grundbuch jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. In gleicher Weise gilt dies für Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung der Eintragung Bezug genommen wird. Über § 46 Abs. 1 GBV erstreckt sich das Einsichtsrecht im selben Umfang auf die Grundakten. Das berechtigte Interesse ist umfassender als das rechtliche Interesse. Es ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann (vgl. etwa BayObLG Rpfleger 1998, 338; DNotZ 1999, 739; KG Rpfleger 2004, 346).
Das berechtigte Interesse des Antragstellers ist gegen das Interesse des Eigentümers abzuwägen, eine Einsicht in das Grundbuch und in die Grundakten zu verhindern. Dieses Interesse bedarf umso mehr einer sorgfältigen Prüfung, al...