1. 1 Problemsituation
Sofern das Aneignungsrecht nicht selektiv, sondern umfassend ausgeübt wird, geht mit wirksamer Ausübung des Aneignungsrechts das gesamte Nachlassvermögen auf das Bundesland über, dessen Stelle das Aneignungsrecht ausgeübt hat, § 32 Abs. 4 S. 1 IntErbRVG. Zählt die Aneignungsstelle auch die von einem Vindikationslegat erfasste Immobilie zum übergegangenen Nachlassvermögen, veranlasst die Behörde die Grundbuchumschreibung auf das Bundesland, § 32 Abs. 5 S. 2 IntErbRVG, womit das Grundbuch unrichtig wird. Der Vindikationslegatar sieht sich im Aneignungs- und Umschreibungsverfahren übergangen und möchte als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden.
1. 2 Derzeitige Lösung nach § 32 Abs. 6 IntErbRVG
Nach § 32 Abs. 6 IntErbRVG können Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung an einem Nachlassgegenstand "den ihnen hieraus nach deutschem Recht erwachsenen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses an die Stelle richten, die insoweit das Aneignungsrecht ausgeübt hat". Dogmatisch fußt dies auf der Überzeugung, dass das deutsche Recht das Vindikationslegat nicht kennt und auch nicht anerkennen muss. Postuliert wird ein Anspruch auf Erfüllung, gerichtet auf Übertragung des Eigentums an der Immobilie, die mit dem Vindikationslegat belastet ist.
1. 3 Widerspruch zwischen § 32 Abs. 6 IntErbRVG und der EuGH-Rechtsprechung zu den unmittelbar dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats
Die in § 32 Abs. 6 IntErbRVG zum Ausdruck gebrachte Auffassung vom Vindikationslegat ist obsolet und steht im Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung von den unmittelbar dinglichen Wirkungen des Vindikationslegats. Nach Auffassung des EuGH treten die Wirkungen des Vindikationslegats auch in denjenigen Mitgliedsländern ein, die nur das Damnationslegat mit schuldrechtlicher Wirkung kennen, also auch in Deutschland. Eine Nachlassspaltung soll vermieden, mehr Rechtssicherheit geschaffen werden, Art. 23 Abs. 1 EuErbVO. Dem Erbstatut räumt der EuGH den Vorrang vor dem Sachenrechtsstatut ein. Die erbrechtliche Qualifikation als Übergangsmodalität bringt es mit sich, dass eine Umdeutung bzw. eine Anpassung des Vindikationslegats nicht mehr in Betracht kommt. In der Konsequenz ist der dogmatischen Konzeption des § 32 Abs. 6 IntErbRVG durch die EuGH-Rechtsprechung der Boden entzogen und die Unionsrechtswidrigkeit der Regelung unumstößliche Realität.