Wie hoch ist die finanzielle Steuerbelastung der Erben einer Kunstsammlung oder eines Bildes? Eine gut geplante und entsprechend vorausschauende Einschätzung zur Steuerminimierung ist in zu wenigen Fällen existent.
Ausgangspunkt ist die Frage, wie die im Nachlass befindlichen Kunstgegenstände bewertet werden. Entscheidend ist der Wert im Zeitpunkt der Übertragung.
Der Kunstmarkt und das einzelne Kunstwerk können erheblichen Wertschwankungen unterliegen. Auch die Zusammensetzung einer Kunstsammlung kann erhebliche Auswirkungen auf den Wert und damit die steuerliche Bewertung haben. In vielen Fällen macht es Sinn, diesbezüglich mit Kunstsachverständigen aus Auktionshäusern oder Galerien zusammenzuarbeiten.
Der Wert der Kunst wird nach den allgemeinen Vorschriften gemäß § 12 Abs.1 ErbStG iVm § 9 BewG festgesetzt. Nach den noch gültigen allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Finanzverwaltung wird in diesem Zusammenhang ein Vorsichtsprinzip akzeptiert, nach dem der Wert von Kunstgegenständen und Sammlungen unter Berücksichtigung der schwierigen Verwertungsaussichten vorsichtig zu ermitteln ist. Diese Verwaltungsvorschrift wird in dem nun vorliegenden Entwurf unter RB 9.5 2019 fortgeschrieben.
Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der BFH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 6.6.2001 wesentliche Elemente für diese Wertermittlung herausgearbeitet.
Der gemeine Wert eines Kunstwerkes ist anhand zeitnaher Verkäufe vergleichbarer Werke durch Privatleute im gewöhnlichen Verkehr ermittelbar. Mangels eigener Sachkunde wird folglich bereits der gemeine Wert nur durch einen Sachverständigen ermittelt werden können. Diese Wertermittlung durch einen Sachverständigen sollte der Steuerpflichtige vor der entsprechenden Erklärung selber veranlassen.
Für einen Sachverständigen sind nach den Vorgaben des BFH folgende Punkte von Bedeutung:
In einer ersten Stufe sind zunächst die heranzuziehenden Verkaufspreise vergleichbarer Werke zu ermitteln. Da der Handel seine tatsächlich erzielten Verkaufspreise grundsätzlich nicht oder nur selten kommuniziert, sind in der Regel die Ergebnisse der nationalen und internationalen Auktionshäuser Grundlage für die Ermittlung zeitnaher Verkäufe vergleichbarer Werke.
Hier sind jedoch nicht der Hammerpreis oder die veröffentlichten Gesamtzuschläge (in der Regel inklusive Käuferaufgeld bzw. "buyers premium"), sondern die Hammerpreise abzüglich der Einlieferungskommission ("sellers commission") sowie des sog. Folgerechts (bis zu 5 % des Hammerpreises) maßgeblich (Stichwort Transaktionskosten).
Ferner wird zum Teil vertreten, dass selbst von diesen ermittelten Werten nach dem eingangs erwähnten Vorsichtsprinzip ein nochmaliger Verwertungsabschlag vorgenommen werden kann. Denn es entspricht der gängigen Markterfahrung, dass trotz marktgerechter Schätzungen eines Auktionshauses eine nicht unerhebliche Anzahl von Werken unverkauft bleibt. Deshalb ist ein nochmaliger Verwertungsabschlag von 15–25 % vertretbar.
Wenn diese "Vorarbeiten" seitens des Sachverständigen erfolgt sind, muss die Vergleichbarkeit der ermittelten Werke nochmals geprüft werden; hier ist zwischen den "harten" Faktoren (Echtheit, Erhaltungszustand – condition report –, Provenienz, Ausstellungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen bzw. Erwähnung im Nachlass des Künstlers bzw. Expertise seitens des Nachlasses/Nachlassverwalters, Marktfrische und Format) und "weichen" Faktoren (Qualität, Sujet und Marktgängigkeit) zu unterscheiden.
Ferner müssen die so ermittelten Verkaufserlöse zeitlich gewichtet werden. Dies umfasst zum einen den zeitlichen Abstand zu dem Bewertungsstichtag, zum anderen die Entwicklung des Kunstmarktes seit den letzten Verkaufserlösen bis zu dem Bewertungsstichtag. Aufgrund der Schwankungen sollen nur Verkaufserlöse in zeitlicher Nähe zu dem Bewertungsstichtag Berücksichtigung finden.
In einem letzten Schritt ist sodann noch ein sog. Paketabschlag ("block discount") zu prüfen, da es sich preismindernd auswirken würde, wenn auf einen Verkaufszeitpunkt eine Vielzahl von Werken eines Künstlers oder einer Künstlergruppe auf dem Markt angeboten werden würde. Wie auch andere Märkte wird der Kunstmarkt von Angebot und Nachfrage bestimmt, so dass es bei einem Überangebot zwangsläufig zu geringeren Erlösen kommen würde. Zwei sehr prominente Nachlässe können hier als Beispiel angeführt werden: der Nachlass von Pablo Picasso sowie Andy Warhol.
Der Nachlass von Pablo Picasso wurde bei seinem Tod 1973 auf umgerechnet 750 Mio EUR geschätzt; der Nachlass setzte sich zusammen aus ca. 40.000 (!) Arbeiten, auch wenn davon 30.000 Graphiken und über 3.000 keramische Arbeiten gewesen sind. Der Kunstmarkt hätte diesen gewaltigen Künstlernachlass in keiner Weise angemessen aufnehmen und verarbeiten können, so dass die Verkaufswerte dieser zahlreichen Werke auf...