Eine Entscheidung des OLG Celle wirft nicht nur ein helles Licht auf die besonderen Verführungen, die rund um die Erbeinsetzungen lauern und zu "unlauterem Verhalten" einladen können, sie verdeutlicht auch eine bedeutsame Neuerung im mit dem Erbrecht traditionell eng verbundenen Familienrecht, die alsbald unmittelbare Auswirkungen auch auf die gestaltende erbrechtliche Praxis haben wird.
a) Die Entscheidung
Eine Rechtsanwältin wurde als Betreuerin für einen 1929 geborenen Erblasser mit einer zerebralen Erkrankung ernannt. Der Erblasser besaß keine Kinder und war auch sonst "ohne Angehörige und Freunde" (OLG Celle, a.a.O.), dafür aber im Besitz eines erheblichen (Bank-) Vermögens. Honni soit qui mal … Vier Monate nach der Ernennung zur Betreuerin – der Erblasser bewohnte zu diesem Zeitpunkt eine gerontopsychiatrische Einrichtung – beurkundete eine (der Betreuerin "persönlich bekannte und vertraute" [OLG Celle, a.a.O.]) Notarin in Anwesenheit der Betreuerin ein Testament, wonach die Betreuerin und ein "Seniorenbetreuer" zu je ½ zum Erben eingesetzt wurden. Besagter "Seniorenbetreuer" erbrachte auf Kosten des Betreuten im Auftrag der Betreuerin diverse Hilfsleistungen für den Erblasser, wie u.a. Einkäufe und gemeinsame Spaziergänge.
Das OLG Celle nahm zwar bereits eine Testierunfähigkeit des Erblassers an, begründete die Nichtigkeit des Testaments aber "darüber hinaus" auch auf einem Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB. Dies wurde damit begründet, dass sich eine Sittenwidrigkeit nicht nur aus dem Inhalt, sondern auch aus den Umständen des Zustandekommens der Verfügung von Todes wegen ergeben könne. Es sei in subjektiver Hinsicht bereits ausreichend, dass sich der Betreuer, der durch die von ihm herbeigeführte letztwillige Verfügung bedacht sei, der Tatumstände bewusst sei, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergebe. Ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin könne hiernach – wie vorliegend – dann sittenwidrig sein, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung, die Vertrauensposition und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.
Dass nun aufgrund gesetzlicher Erbfolge voraussichtlich das Land Niedersachsen nach § 1936 BGB erben werde, führe zu keiner anderen Einschätzung.
b) Folgerungen für die Praxis
Dem mitgeteilten Sachverhalt steht es förmlich auf die Stirn geschrieben: Sittenwidrigkeit. Und so lässt die Entscheidung des Gerichts den Betrachter mit dem wohligen Gefühl zurück, dass hier der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, das Gericht mutig gegen das ungebührliche Verhalten der beiden (scheinbaren) Erben vorgegangen ist und der Erblasser einen ausreichenden "Schutz vor der Geldgier berufsmäßiger Betreuer" erhalten hat. Wie wichtig dem Senat die klaren Worte zur Sittenwidrigkeit gewesen sein dürften, lässt sich nicht zuletzt an dem Umstand erkennen, dass die Urteilsbegründung auch nach deren ersten Satz hätte beendet werden können, der wie folgt lautete: "Der Senat ist aufgrund der Beweisaufnahme von der Testierunfähigkeit des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung überzeugt."
Doch abseits des gerechten Zorns ist gleichwohl kritisch anzufragen, ob § 138 Abs. 1 BGB hier auch tatsächlich die zutreffende "Reparaturnorm" gewesen ist. Schließlich unterscheidet sich der hier vorliegende Fall nicht unerheblich von den sonstigen Konstellationen, in denen die Rechtsprechung bei der Prüfung von Verfügungen von Todes wegen zunehmend zu der "Mutter aller Generalklauseln" greift; in diesen ist es schließlich stets der Testator, der in sittenwidriger Weise die (grundrechtlich in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte) Testierfreiheit dafür missbraucht, andere in ihren Grundrechten unverhältnismäßig einzuschränken bzw. sonst in nicht von der Rechtsordnung zu akzeptierender Art auf die Erben einzu...