Dem mitgeteilten Sachverhalt steht es förmlich auf die Stirn geschrieben: Sittenwidrigkeit. Und so lässt die Entscheidung des Gerichts den Betrachter mit dem wohligen Gefühl zurück, dass hier der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, das Gericht mutig gegen das ungebührliche Verhalten der beiden (scheinbaren) Erben vorgegangen ist und der Erblasser einen ausreichenden "Schutz vor der Geldgier berufsmäßiger Betreuer" erhalten hat. Wie wichtig dem Senat die klaren Worte zur Sittenwidrigkeit gewesen sein dürften, lässt sich nicht zuletzt an dem Umstand erkennen, dass die Urteilsbegründung auch nach deren ersten Satz hätte beendet werden können, der wie folgt lautete: "Der Senat ist aufgrund der Beweisaufnahme von der Testierunfähigkeit des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung überzeugt."
Doch abseits des gerechten Zorns ist gleichwohl kritisch anzufragen, ob § 138 Abs. 1 BGB hier auch tatsächlich die zutreffende "Reparaturnorm" gewesen ist. Schließlich unterscheidet sich der hier vorliegende Fall nicht unerheblich von den sonstigen Konstellationen, in denen die Rechtsprechung bei der Prüfung von Verfügungen von Todes wegen zunehmend zu der "Mutter aller Generalklauseln" greift; in diesen ist es schließlich stets der Testator, der in sittenwidriger Weise die (grundrechtlich in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte) Testierfreiheit dafür missbraucht, andere in ihren Grundrechten unverhältnismäßig einzuschränken bzw. sonst in nicht von der Rechtsordnung zu akzeptierender Art auf die Erben einzuwirken. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von diesen Konstellationen jedoch nicht unerheblich: § 138 BGB greift hier nicht zulasten, sondern zugunsten des Erblassers ein. Und so stellt sich die Frage, ob vorliegend nicht eher das Verhalten der Betreuerin und des "Seniorenbetreuers" statt des für das Sittenwidrigkeitsverdikt maßgebliche "Rechtsgeschäfts", also die Verfügung des Erblassers, als sittenwidrig anzusehen sind. So fehlt es etwa auch an dem Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung auf Seiten des Erblassers. Dass, wie das OLG Celle annimmt, bei einseitigen Rechtsgeschäften wie einem Testament neben der Inhaltssittenwidrigkeit auch die Umstandssittenwidrigkeit zu einer Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung führen kann, kann daher mit guten Argumenten bestritten werden.
Unabhängig von dieser spannenden dogmatischen Frage wirft die Entscheidung gleichwohl noch einmal in Erinnerung, dass gerade bei alleinstehenden Erblassern die Aussicht eines "mühelosen" Vermögenserwerbs qua Vermächtnis oder Erbeinsetzung nicht unbedingt das Beste in jedem Menschen zum Vorschein bringt. Hier gilt es nicht nur, seitens der betreuenden rechtlichen Berater des Erblassers besonders sensibel und aufmerksam zu agieren, auch haben die Berater der durch eine solche testamentarische Anordnung beeinträchtigten (zumeist gesetzlichen) Erben stets zu prüfen, ob gegen die betreffende Verfügung von Todes wegen mit Erfolg vorgegangen werden kann. Die vorliegende Entscheidung bietet hier eine wertvolle Blaupause.
Neben diesen offensichtlichen Folgen erinnert die Entscheidung aber vor allem auch daran, dass der Gesetzgeber – weitgehend unbemerkt von der allgemeinen juristischen Öffentlichkeit – für derartige Fälle in dem neugeschaffenen Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) nunmehr eine gesetzliche Regelung getroffen hat. Ab 1.1.2023 wird hierzu Folgendes geregelt sein:
Zitat
§ 30 BtOG
(1) 1Einem beruflichen Betreuer ist es untersagt, von dem von ihm Betreuten Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen. 2Dies gilt auch für Zuwendungen im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen.
(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn
1. andere als die mit der Betreuervergütung abgegoltenen Leistungen vergütet werden, insbesondere durch die Zahlung von Aufwendungsersatz nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder
2. geringwertige Aufmerksamkeiten versprochen oder gewährt werden.
(3) 1Das Betreuungsgericht kann auf Antrag des Betreuers im Einzelfall Ausnahmen von dem Verbot des Absatzes 1 Satz 1 und 2 zulassen, soweit der Schutz des Betreuten dem nicht entgegensteht. 2Entscheidungen nach Satz 1 sind der für den beruflichen Betreuer zuständigen Stammbehörde mitzuteilen.“
Ob die vorliegende Entscheidung auch unter Geltung des § 30 BtOG – also nach dem 1.1.2023 – anders zu entscheiden gewesen wäre, erscheint indes in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft:
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass der vorgenannte "Seniorenbetreuer" bereits nicht von dem Anwendungsbereich der Norm erfasst wäre; seine Erbeinsetzung müsste dementsprechend auch weiterhin prima facie an § 138 Abs. 1 BGB gemessen werden.
Hierneben ist jedoch auch zweifelhaft, ob die Erbeinsetzung der Betreuerin nach § 30 BtOG als unwirksam anzusehen gewesen wäre. Dies wäre schließlich nur dann der Fall, wenn § 30 BtOG als Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB anzusehen sein würde. Hiergegen spricht jedoch zum einen der eindeutige Wortlaut der Norm, wonach es dem Betreuer le...