I.
Das OLG München ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zur Entscheidung des zwischen den AG Heilbronn und AG München bestehenden Streits über die örtliche Zuständigkeit berufen, weil das gemeinschaftliche obere Gericht der BGH ist und das zuerst mit der Sache befasste AG München zum Bezirk des OLG München gehört.
II.
Nach Auskunft der Beteiligten zu 1, 3, 4 und 5 (= Angehörige des Erblassers) lebte und arbeitete der Erblasser von 1984 bis zum 16.10.2020 in M. Am 16.10.2020 begab sich der Erblasser zu seinem Bruder und seiner Schwägerin (= Beteiligte zu 1 und 4) nach … , da er aufgrund seiner Krebserkrankung schwach war und sich nicht mehr selbst versorgen konnte. Die Beteiligten zu 1 und 4 pflegten den Erblasser zunächst bei sich zu Hause. Am … verstarb der Erblasser im Krankenhaus in … . Der Erblasser behielt zwar bis zu seinem Tode seine Wohnung in M. und beabsichtigte für den Fall seiner Genesung auch dorthin zurückzukehren. Entgegen der Hoffnung des Erblassers erfolgte jedoch keine Genesung und auch keine Rückkehr nach M.
III.
1. Die zum 17.8.2015 in Kraft getretene Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) sieht als grundlegendes Merkmal für die Anknüpfung gerichtlicher Zuständigkeiten in Erbsachen den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes vor (Art. 4 EuErbVO). Dementsprechend bestimmt § 343 Abs. 1 FamFG in der ab dem 17.8.2015 geltenden Fassung, dass das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, zuständig ist.
Durch die Neufassung des § 343 Abs. 1 FamFG im Rahmen des IntErbRVG soll das Ziel, eine möglichst einheitliche örtliche Zuständigkeit der Gerichte für die Erteilung eines Erbscheins und für die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nach Kapitel VI der EuErbVO zu gewährleisten, – und damit auch ein Gleichlauf mit Art. 4 EuErbVO – erreicht werden (vgl. BT-Drucks 18/4201, 59). Demgemäß ist der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" auch im Lichte des Art. 4 EuErbVO unter Heranziehung der Erwägungsgründe (23) und (24) zu bestimmen. Insoweit ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände vorzunehmen, auch unter Berücksichtigung von Dauer und Regelmäßigkeit von Besuchen, der besonders engen Bindung an einen Staat, der Sprachkenntnisse, der Lage des Vermögens. Daraus ergibt sich, dass in Bezug auf den "gewöhnlichen Aufenthalt" der tatsächliche Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person zu verstehen ist, der mittels einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Todes festzustellen ist (OLG München FGPrax 2017, 134).
Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist neben dem objektiven Moment des tatsächlichen Aufenthalts auch grundsätzlich ein subjektives Element, nämlich ein Aufenthalts- bzw. Bleibewille, erforderlich (Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 343 Rn 6, 7; OLG Hamm ZEV 2020, 636, 637). Andernfalls können Fragen eines erzwungenen oder willenlosen Aufenthalts nicht zufriedenstellend geklärt werden. Außerdem könnte sonst das materielle Erbrecht von Angehörigen manipuliert werden (OLG München, a.a.O.).
2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze lag der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes in …, das in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des AG Heilbronn fällt.
a) Der Erblasser entschied sich bewusst dafür, sein eigenständiges Leben in M. aufzugeben und sich in die Pflege seines Bruders und seiner Schwägerin nach … zu begeben. Dass dies nicht seinem Wunsch entsprach, sondern vielmehr den äußeren Zwängen seiner Krankheit geschuldet war, ändert nichts daran, dass das erforderliche subjektive Element zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts gegeben war. Maßgeblich für dieses subjektive Element ist die Willensbildung, zu der der Erblasser zum Zeitpunkt seines Aufenthaltswechsels von M. nach … in der Lage war. Unerheblich ist demgegenüber, dass dieser Aufenthalt nicht seinen Idealvorstellungen oder Wünschen entsprach.
b) Auch die Tatsache, dass der Erblasser für den Fall seiner Genesung die Absicht hatte, wieder nach M. zurückzukehren, ändert nichts daran, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt im Moment des Eintritts des Erbfalls in … lag.
aa) Bei dem Aufenthalt in … hat es sich nicht nur um einen von vornherein absehbar zeitlich begrenzten, vorübergehenden Aufenthalt gehandelt. Bereits zum Zeitpunkt seines Umzugs war der Erblasser nach Auskunft seiner Angehörigen aufgrund der Krebserkrankung so schwach, dass er in M. nicht mehr allein leben konnte und auf Pflege angewiesen war. Die aufgrund seiner Krankheit erforderliche Pflege war somit nach der Vorstellung des Erblassers nicht an seinem bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort gewährleistet, sondern allein bei seiner Verwandtschaft. Indem er sich bewusst in deren Obhut begab, ging damit auch ein Wechsel seines gewöhnlichen Aufenthalts einher. Der Aufenthaltswechsel von M. nach … erfolgte dabei gerade nicht nur zur Inanspruchnahme rein pfle...