So z.B. war im Urteil des FG Münster vom 8.11.2018 der gesellschaftsvertragliche Abfindungswert geringer als der Anteilswert. Damit war ein rechnerisch negativer Wert additiver Gegenstand des buchmäßigen Anwachsungsvorgangs. Konnte dies dazu berechtigen, den positiven Erwerb um den negativen Erwerb zu saldieren, letztlich also die Erbschaftsteuern zu reduzieren?
a) Der erbschaftsteuerliche, vom Kläger tatsächlich angestrebte Effekt der Saldierung des negativen Werts mit dem positiven Anteilswert nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ging vor Gericht: Das FG interpretierte in historisch korrekter Auslegung § 3 ErbStG dahin, dass die Vorschrift keinen negativen Erwerb zugelassen und als steuerpflichtig (und damit steuermindernd) deklariert hätte:
Wenn der Erbschaftsteuergesetzgeber aber einen Negativsaldo zwischen geringerem Abfindungswert gegenüber höherem Anteilswert hätte zur Steuersenkung zulassen wollen, hätte dies ausdrücklich geregelt werden müssen. Das aber sei weder in der Erbschaftsteuernovellierung von 1974 noch in derjenigen von 2009 erfolgt. Deshalb verneinte das FG eine Saldierung beider Größen zu einer geringeren Steuermaßzahl.
b) Dem hat letztlich dann auch der Erbschaftsteuersenat des BFH mit Urt. v. 8.6.2021 zugestimmt: Er wies die Revision gegen das erstinstanzliche Urteil des FG Münster als unbegründet zurück.
c) Der Abfindungsanspruch des Klägers wurde angesichts der testamentarischen Verfügung der Erblasserin wohl als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG behandelt, wobei zugleich aber der geringere Abfindungswert, den der Erblasser hinterlassen hatte, sich nicht mindernd auf die Erbschaftsteuerbemessungsgrundlage, wie sie den begünstigten Gesellschaftern angewachsen war, auswirkte. Der BFH befand, ein negativer Erwerb mag vorgelegen haben, weil der festgestellte Anteilswert unter dem gesellschaftsvertraglichen Abfindungsanspruch gelegen hätte, aber eine Saldierung in Höhe der auf die Mitgesellschafter entfallenden Differenz beider Werte komme nicht in Betracht: Der negative Erwerb sei laut Gesetz nicht vorgesehen und damit unbeachtlich.
Zwar hatte der verstorbene Mitgesellschafter K3 seinen Anteil nicht kraft Fortsetzungsklausel, sondern nach Anwachsung bei den Mitgesellschaftern kraft einer konkreten erbrechtlichen Bestimmung K 1 und K2 zugewendet; aber danach haben K1 und K2 ihren Anteil am freigewordenen Anteil des K3 sowohl kraft gesellschaftsrechtlicher Anwachsung und erbrechtlicher Zuwendung erlangt. Die Anwachsung sei zwar für sich betrachtet kein Weg des Erbrechts i.S.d. §§ 1922 oder 2303 oder 2147 BGB, sondern ein rein gesellschaftsrechtlicher Vorgang. Ihnen als fortsetzenden Gesellschaftern sei also der Anteil zugewachsen, aber nur zum positiven Anteilswert, der Gesellschaftern zustehe, und ungeachtet des minderen Anwachsungswerts demgegenüber. Die Minderung habe sich demnach nicht ermäßigend auf den angewachsenen Anteil auswirken können: Der negative Erwerb sei deshalb unberücksichtigt zu lassen.
Der BFH bestätigte so die Feststellung der ersten Instanz, dass der Gesetzgeber eine Korrektur zulasten der Besteuerung für den Fall eines geringeren Abfindungswerts gegenüber dem höheren Anteilswert nicht zugelassen habe: Der Anteilswert bleibe insoweit die Untergrenze der Besteuerungsgrundlage.
d) Zu Recht hatte die erste Instanz im Urteil festgestellt, dass nur die den Anteilswert übersteigenden gesellschaftsvertraglichen Abfindungsansprüche steuerwirksam würden, negative Erwerbe dagegen, wenn die bedungene Abfindung laut Gesellschaftsvertrag unter dem festzustellenden Anteilswert liege, nicht:
Mit Recht führt der BFH in seinem Urteil aus, dass eine "erweiternde Auslegung" (teleologische Extension) nicht zulässig sei, weil eine Regelungslücke im Gesetz nicht bestehe. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen sein könnte, könne zwar sein; "ein rechtspolitischer Fehler" reiche aber keinesfalls aus, ein Gesetz zu erweitern in extensiver Analogie und in angeblich gebotener Teleologie (so BFH, a.a.O., Rn 27 ff. des Urteils).