I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb von ihrem Vater durch notariell beurkundeten Vertrag v. 7.3.2017 schenkweise alle Anteile an der GmbH, einem pharmazeutischen Handelsunternehmen mit Tätigkeit in Vertrieb und Forschung.
Das zuständige FA stellte mit Bescheid v. 19.4.2018 gem. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BewG den Wert des Anteils der GmbH mit 555.975 EUR und gem. § 13b Abs. 10 ErbStG die Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel mit 2.517.649 EUR, der jungen Finanzmittel mit 60.000 EUR, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1–4 ErbStG und des jungen Verwaltungsvermögens jeweils mit 0 EUR sowie der Schulden mit 3.138.504 EUR für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 7.3.2017 gesondert und einheitlich fest. Weitere Feststellungen traf es zu der Anzahl der Beschäftigten mit 21 Personen und der Ausgangslohnsumme mit 984.330 EUR. Nachrichtlich wurde vermerkt, dass der Hauptzweck des Unternehmens eine Tätigkeit i.S.d. § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG sei.
Mit Bescheid v. 25.10.2018 setzte der Beklagte und Revisionskläger (FA) Schenkungsteuer i.H.v. 51.675 EUR fest. Dabei ging das FA von einem Wert des Erwerbs i.H.v. 544.598 EUR (Wert des festgestellten Anteils i.H.v. 555.975 EUR abzüglich Kosten und Gebühren von insgesamt 11.377 EUR) zuzüglich einer Vorschenkung i.H.v. 200.000 EUR aus und brachte einen Freibetrag i.H.v. 400.000 EUR in Abzug. In den Erläuterungen zum Bescheid wurde angeführt, dass nach § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (sog. 90 %-Einstiegstest) eine Begünstigung nach § 13a ErbStG nicht gewährt werden könne.
Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch beantragte die Klägerin die Gewährung der Regelverschonung für Betriebsvermögen. Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung v. 9.7.2019 als unbegründet zurück.
Die Klage vor dem FG hatte Erfolg. Der schenkweise Erwerb der GmbH-Anteile bleibe als begünstigtes Vermögen nach § 13a Abs. 1 ErbStG zu 85 % steuerfrei und nach § 13a Abs. 2 ErbStG außer Ansatz. Der 90 %-Einstiegstest nach § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG stehe der Begünstigung des übertragenen Vermögens nicht entgegen. § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG sei nach seinem Normzweck im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen, dass der 90 %-Einstiegstest in den Fällen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG dann nicht zur Anwendung komme, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft – wie im Streitfall – ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit i.S.d. § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG diene. Das Urteil ist veröffentlicht in DStRE 2022, 286.
Während des Revisionsverfahrens erließ das zuständige FA als Ergebnis einer Verständigung in der Außenprüfung am 13.1.2023 einen geänderten Feststellungsbescheid. Darin wurden der Wert des Anteils an der GmbH nunmehr mit 1.250.000 EUR, die Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel mit 2.517.649 EUR, der jungen Finanzmittel mit 60.000 EUR, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1–4 ErbStG und des jungen Verwaltungsvermögens mit 0 EUR, der gemeinen Werte der Schulden mit 3.138.504 EUR sowie die Anzahl der Beschäftigten mit 21 Personen und die Ausgangslohnsumme mit 984.330 EUR festgestellt. Als nachrichtliche Angabe enthielt der Bescheid wiederum den Vermerk, dass der Hauptzweck des Unternehmens eine Tätigkeit i.S.d. § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG sei.
Während des Revisionsverfahrens erging am 20.4.2023 in Umsetzung des Feststellungsbescheids v. 13.1.2023 ein geänderter Schenkungsteuerbescheid. Das FA setzte nunmehr Schenkungsteuer i.H.v. 197.334 EUR fest, wobei es von einem Wert des Erwerbs i.H.v. 1.238.623 EUR (festgestellter Wert des Anteils i.H.v. 1.250.000 EUR abzüglich Kosten und Gebühren von insgesamt 11.377 EUR) zuzüglich einer Vorschenkung i.H.v. 200.000 EUR ausging und einen Freibetrag i.H.v. 400.000 EUR in Abzug brachte.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung von § 13b Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 ErbStG geltend. Die Auslegung der Vorschriften durch das FG führe zu einer durch den Gesetzgeber nicht gewollten Begünstigung. Sie hätte zur Folge, dass auch Gesellschaften mit geringfügiger gewerblicher Tätigkeit die Begünstigung nach § 13a ErbStG erhielten. Die Nichtanwendung des 90 %-Einstiegstests, wenn die Gesellschaft auch eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübe, verstoße gegen den Wortlaut des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift, veranlasst durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, komme nicht in Betracht, da der Regelung eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde liege. Dieser habe mit der Neufassung der §§ 13a, 13b ErbStG durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG v. 4.11.2016 (BGBl I 2016, 2464) bewusst keine Hauptzweckbetrachtung eingeführt, sondern sich für eine Beibehaltung des Verwaltungsvermögenskatalogs mit all...