a. Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 3 Nr. 2 GrEStG
Ziel des Gesetzgebers ist es, eine Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer auf die entgeltliche Übertragung von inländischem Grundbesitz (§ 1 Abs. 1 GrEStG) und Erbschaft-/Schenkungsteuer im Regelfall zu vermeiden. Aus diesem Grund gilt (§ 3 Nr. 2 GrEStG), dass Erwerbsvorgänge, die nach dem ErbStG steuerbar sind, grundsätzlich grunderwerbsteuerfrei sind. Dabei ist die tatsächliche Steuerpflicht nicht entscheidend, sodass auch eine unter den persönlichen Freibeträgen nach § 16 ErbStG liegende Schenkung ohne Auslösung einer Schenkungsteuer grunderwerbsteuerfrei bleibt.
b. Grenzfall Übernahme- oder Kaufrechtsvermächtnis
Dennoch sind bei der Abgrenzung beider Steuern eine Reihe von Grenzfällen zu beachten, die im Einzelfall Grunderwerbsteuer auslösen können. Ein Beispielsfall ist etwa die im Einzelfall enge Grenzlinie zwischen einem ggf. nicht nach dem GrEStG evt. steuerbaren, aber schon teilentgeltlichen Übernahmevermächtnis als Erwerb von Todes wegen i.S.d. § 3 Nr. 2 GrEStG und einem ggf. schwerpunktmäßig im Bereich des verhandelbaren Kaufvertragsrechts angesiedelten Kaufrechtsvermächtnis. Auch eine testamentarische Vorgabe des Vermächtnisses kann hier im Einzelfall eine bloße instrumentale Bedeutung haben, sodass es auch auf den Vorrang der erblasserischen Anordnungen oder umgekehrt der Verhandlungen zwischen den späteren Vertragsparteien ankommt.
c. Steuerbarer Tatbestand i.S.d. ErbStG
Für § 3 Nr. 2 GrEStG muss zudem ein grundsätzlich nach dem ErbStG steuerbarer Tatbestand vorliegen, nicht etwa eine aus zivilrechtlichen Gründen (z.B. Rückforderungsrecht und deshalb erzwungene Herausgabe!) von vornherein nicht schenkungsteuerbare Übertragung.
Als Paradebeispiel für eine Steuerbarkeit soll der Fall gelten, dass ein Vater die Schenkung von Gesellschaftsbeteiligungen an seine Söhne aus anderen Steuerüberlegungen widerrief und mit einer schenkungsteuerfrei zurückerhaltenen Gesellschaftsbeteiligung (ohne Rückschenkung, weil im Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG!) auf einer unteren Ebene aufgrund einer weiter hier von ihm unmittelbar gehaltenen Beteiligung allein durch die jetzt zurückerworbene, mittelbar gehaltene Beteiligung die grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung auslöste. § 3 Nr. 2 GrEStG konnte mangels steuerbaren Tatbestands i.S.d. ErbStG nicht eingreifen.
Ausreichend ist aber ggf. auch, auf der ggf. einzigen Ebene der Widerruf einer Schenkung von 20 % der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Grundbesitz, wenn sich beim Schenker zurückbehaltene Anteile von z.B. 80 % damit (wieder) vereinigen, bei einer Kapitalgesellschaft ohne Anwendung des § 3 Nr. 6 GrEStG.
Beispiel:
Eine Mutter schenkt ihrem Sohn 80 % (von ihren 100 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft und behält sich für bestimmte Fälle den Widerruf vor. Der Widerruf wird z.B. fünf Jahre später nach einer versuchten ungenehmigten Veräußerung der Anteile oder alternativ auch dem Tod des Sohns geltend gemacht und die Rückforderung abgewickelt.
Bei der Mutter kommt es zu einer Anteilsvereinigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (konkret erstmalige, wenn auch "eigentlich" erneute Anteilsvereinigung). Das Verwandtschaftsprivileg nach § 3 Nr. 6 GrEStG und – mangels Tatbestandsmäßigkeit der erzwungenen Rückgängigmachung für eine denkbare Steuerbarkeit nach dem ErbStG – auch das Schenkungsprivileg des § 3 Nr. 2 GrEStG scheiden aus.
Entlastend kann in dem Beispielsfall (im BFH-Entscheid vom 4.3.2020 nicht geprüft!) nur noch die Vorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG wirken, wenn danach eine nicht steuerbare Rückgängigmachung vorliegt, obwohl der vorherige Schenkungsvorgang wegen § 3 Nr. 2 GrEStG nicht grunderwerbsteuerbar war.