Neben einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen zwischen Inlands- und Auslandsvermögen differenzierende Normen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts aber auch gegen die ebenfalls europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit.
Das Diskriminierungsverbot des Art. 43 Abs. 2 EGV garantiert jeder natürlichen oder juristischen Person, in jedem anderen Mitgliedsstaat eine dauernde selbstständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen ausüben zu dürfen wie ein Inländer. Niemand darf daher rechtlich daran gehindert werden, seinen Herkunftsstaat zu verlassen und seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben (Beschränkungsverbot). Dies gilt nicht nur im Hinblick auf mögliche Diskriminierungen im ins Auge gefassten Tätigkeitsstaat, sondern auch hinsichtlich solcher im Herkunftsland.
Soweit es um Immobilienerwerbe oder Direktinvestitionen geht, sind Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich parallel anzuwenden. Etwas anderes gilt lediglich bei sog. Portfolioinvestitionen, die mit keiner Niederlassung verbunden sind und daher allein durch die Kapitalverkehrsfreiheit geschützt werden (Streinz, Europarecht, 7. Aufl. 2005, Rn 897). Die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EGV kommt jedenfalls immer dann zum Tragen, wenn es um die Aufnahme und Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem Herkunftsland geht (Geiger, EUV-EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 43 Rn 8; Micker/Thonemann, FAErbR 25, 26; FG München, Urteil v. 5.11.2003, EFG 2004, 410, 411).
Der Ansatz ausländischen Vermögens für Zwecke der deutschen Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung mit seinem gemeinen Wert (§ 12 Abs. 6 ErbStG iVm den §§ 31, 9 bzw. 11 Abs. 2 BewG) verstößt daher – jedenfalls bei Vermögensgegenständen, die, wenn sie im Inland belegen sind, privilegiert bewertet werden – nicht nur gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EGV, sondern auch gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EGV (So auch Micker/Thonemann, FAErbR 2/2006, 25, 29). Denn die bewertungsmäßige Ungleichbehandlung von im Ausland belegenem Vermögen ist dazu geeignet, deutsche Staatsangehörige davon abzuhalten, eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik aufzunehmen, sei es in Form der Gründung eines Gewerbebetriebes oder, wie im Ausgangsfall, durch Aufnahme einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit. Gleiches gilt für die Versagung der sachlichen Steuerbefreiung des § 13 a (und § 19 a) ErbStG. Eine Rechtfertigung dieses Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit ist nicht erkennbar, weder wegen Gefahren für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit noch im Hinblick auf immanente Schranken (vgl. hierzu ausführlich Micker/Thonemann, FAErbR 2/2006, 25, 29, die sich auch insbesondere mit dem auf angeblich eingreifende immanente Schranken hinweisenden Urteil des FG Rheinland-Pfalz v. 16.6.2005 (ZErb 2006, 63, 66) auseinandersetzen).