Leitsatz
Art. 73 b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) in Verbindung mit Art. 73 d EG-Vertrag (jetzt Art. 58 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Berechnung der Steuer auf einen Nachlass, der aus in diesem Staat belegenem Vermögen und einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand besteht,
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vorsieht, dass der in diesem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstand mit seinem gemeinen Wert angesetzt wird, während für einen gleichartigen inländischen Vermögensgegenstand ein besonderes Bewertungsverfahren gilt, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 v. H. dieses gemeinen Werts erreichen, und |
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die Anwendung eines gegenstandsbezogenen Freibetrags sowie die Berücksichtigung des verbliebenen Werts lediglich in Höhe von 60 v. H. inländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen vorbehält. |
EuGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – C-256/ 06
Anmerkung
Zur Bewertung ausländischen Vermögens hat einerseits der EuGH am 17. Januar 2008 sein Urteil in der Rs. Jäger (C-256/06) und andererseits die Generalanwältin am 10. Januar 2008 ihre Schlussanträge in der Rs. Heinrich Bauer Verlag (HBV, C-360/06) gestellt. Beide Rechtssachen betreffen die deutschen Methoden zur Bewertung von Vermögenswerten, die die Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der früheren Vermögensteuer darstellen. Diese Methoden unterscheiden zwischen Vermögensgegenständen, die in Deutschland liegen, und solchen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Der EuGH hat entschieden, dass diese Unterschiede mit der Kapitalverkehrsfreiheit bzw. der Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind.
1. Hintergrund
Die Rs. Jäger betraf einen Erbfall, bei dem der Erbe seinen Wohnsitz in Frankreich und die Erblasserin ihren letzten Wohnsitz in Deutschland hatte. Zum Nachlass gehörte, neben Inlandsvermögen, Grundbesitz in Frankreich, der land- und forstwirtschaftlich genutzt wurde und Teil des Vermögens zweier land- und forstwirtschaftlicher Gesellschaften in Deutschland war. Der Erwerb des Grundbesitzes in Frankreich unterlag dort der Erbschaftsteuer. In Deutschland wurde der Grundbesitz, der aus land- und forstwirtschaftlichem Vermögen bestand, nach Abzug des persönlichen Freibetrags und Anrechnung der französischen Erbschaftsteuer mit dem gemeinen Wert bewertet.
Im Gegensatz dazu gilt für inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen ein besonderes Bewertungsverfahren, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 % der gemeinen Werte erreichen. Zusätzlich ist der verbliebene Wert nach Abzug eines besonderen sachlichen Freibetrags lediglich zu 60 % anzusetzen.
Die Rs. HBV betraf die Bewertung der Beteiligung einer deutschen Kapitalgesellschaft an ausländischen Personengesellschaften für Zwecke der damals anwendbaren Vermögensteuer. Auch in diesem Fall unterscheidet sich die Bewertung grundlegend danach, ob die entsprechende Gesellschaft in Deutschland oder im Ausland ansässig ist. Während im ersteren Fall allein auf den Substanzwert der Gesellschaft abgestellt wird, werden im letzteren Fall neben dem Substanzwert auch die Ertragsaussichten in die Bewertung mit einbezogen.
2. Urteil des EuGH
Der EuGH hatte in der Rs. Jäger zu entscheiden, ob die unterschiedliche Behandlung von inländischem und ausländischem Vermögen eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 Abs. 1 EG) darstellt.
Bestimmungen eines Mitgliedstaates, die den Wert einer Immobilie für die Zwecke der Berechnung des bei Erwerb von Todes wegen anfallenden Steuerbetrags festsetzen, halten nicht nur einen in einem anderen Mitgliedstaat Ansässigen vom Kauf im erstgenannten Mitgliedstaat belegener Immobilien sowie von der Veräußerung des wirtschaftlichen Eigentums an solchen Sachen an einen anderen ab, sondern können auch eine Wertminderung des Nachlasses desjenigen bewirken, der in einem anderen Mitgliedsstaat als dem ansässig ist, in dem sich die genannten Sachen befinden.
Nach Ansicht des EuGH bewirken innerstaatliche Bestimmungen, die darauf hinauslaufen, dass ein Nachlass, der einen in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand umfasst, in Deutschland einer höheren Erbschaftsteuer unterliegt, als dies der Fall wäre, wenn das den Nachlass bildende Vermögen ausschließlich in Deutschland belegen wäre, eine Beschränkung des Kapitalverkehrs, weil sie den Wert eines Nachlasses mindern, der einen solchen im Ausland belegenen Vermögensgegenstand umfasst. Im Übrigen ergibt sich die Wertminderung des Nachlasses allein aus der Anwendung der streitigen deutschen Regelung.
Die streitigen Regelungen führen dazu, dass Investitionen von in Deutschland ansässigen Personen in Grundbesitz, der in einem anderen Mitgliedstaat liegt, weniger attraktiv sind als Investitionen in inländischen Grundbesitz.
Nach Ansicht des EuGH gibt es keine zulässige Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung. Obwohl der Gerichtshof anerkennt hat, dass es für die nationalen Behörden tatsächlich ...