Leitsatz
Ein "Verlangen des Pflichtteils" im Sinne einer Pflichtteilsstrafklausel kann auch dann vorliegen, wenn der Anspruch aufgrund eines zuvor erfolgten Erlasses objektiv nicht mehr bestand.
OLG München, Beschluss vom 29. August 2008 – 31 Wx 68/07
Sachverhalt
Der Erblasser ist am 14.11.2005 im Alter von 81 Jahren verstorben. Seine Ehefrau ist am 26.6.2002 vorverstorben. Sie hatten vier Söhne, nämlich die Beteiligten zu 1 und 2 sowie K. und N. Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die Kinder der neuen Partnerin des Erblassers.
Es liegen gemeinschaftliche Testamente der Ehegatten vom 2.10.1967, 29.5.1984 und 15.5.2002 vor sowie letztwillige Verfügungen des Erblassers vom 25.7.2004 und 23.2.2005. Mit dem gemeinschaftlichen notariellen Testament vom 2.10.1967 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Ergänzend dazu bestimmten sie mit gemeinschaftlichem Testament vom 29.5.1984 u. a.:
Zitat
"1. Unserem Sohn K. entziehen wir den Pflichtteil, weil ... "
2. Als Schlusserben bestimmen wir unsere gemeinschaftlichen Kinder, nämlich
a) N. ...
b) (Beteiligter zu 1)
c) (Beteiligter zu 2) zu gleichen Stammanteilen. Ersatzerben sind jeweils die Abkömmlinge unserer vorgenannten Söhne nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Bei Fehlen von Abkömmlingen tritt Anwachsung der übrigen Erbenstämme ein, wobei unser Sohn K. ausdrücklich ausgeschlossen ist.
3. Verlangt eines unserer Kinder vom Nachlass des Erstversterbenden seinen Pflichtteil, so soll es auch vom Nachlass des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten. Verlangt ein Abkömmling den Pflichtteil beim ersten Erbfall, so erhalten die anderen Abkömmlinge, falls sie als gesetzliche Erben berufen werden (sic; richtig wohl: wären), ein Vermächtnis in Höhe des gesetzlichen Erbteils aus dem Nachlass des Erstversterbenden, das beim Tode des überlebenden Elternteils fällig wird und bis dahin unverzinslich ist.
4. Der Überlebende von uns ist ausdrücklich berechtigt, innerhalb der Schlusserben Teilungsanordnungen zu treffen. ...
III. Über das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht sowie über die Bindungswirkung dieses Testaments wurden wir vom Notar belehrt.“ (...)
Am 15.5.2002 errichteten die Ehegatten in Österreich eine notarielle letztwillige Verfügung, in der der Erblasser für den Fall des Eintritts der Schlusserbschaft seine Anteile an der W. GbR auf N. sowie die Beteiligten zu 1 und 2 aufteilte. Die früheren gemeinschaftlichen Testamente hielten die Eheleute ausdrücklich aufrecht.
Nach dem Tod der Mutter erklärten N. und die Beteiligten zu 1 und 2 im Rahmen des Nachlassverfahrens in Österreich zu Urkunde des zuständigen Notars am 22.7.2002, "dass sie keinerlei Pflichtteils- und sonstige Ansprüche gegen den Nachlass oder den Erben stellen". (...) Mit privatschriftlichem Testament vom 25.7.2004 bestimmte der Erblasser seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin. Mit dem vor einem spanischen Notar errichteten Testament vom 23.2.2005 setzte er deren Söhne, die Beteiligten zu 3 und 4, zu Erben ein und räumte seiner Lebensgefährtin einen Nießbrauch an seinem gesamten Vermögen ein.
Mit Anwaltsschreiben vom 17.6.2005 ließen die Beteiligten zu 1 und 2 dem Erblasser mitteilen, dass sie aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Bruders K. "jeweils die Zahlung des ihnen zustehenden Pflichtteils nach dem Tode der Mutter ... beanspruchen", und zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung auffordern. Auf ihren Antrag erging am 7.7.2005 Mahnbescheid und am 2.8.2005 Vollstreckungsbescheid gegen den Erblasser über 87.900 EUR. Eine Zahlung vonseiten des Erblassers erfolgte nicht; die Zwangsvollstreckung wurde nicht eingeleitet. (...)
Das Nachlassgericht hat den Beteiligten zu 1 und 2 antragsgemäß einen Erbschein erteilt, der sie als Miterben zu je 1/2 ausweist. In der Folge haben sowohl die Lebensgefährtin des Erblassers als auch die Beteiligten zu 3 und 4 die Meinung vertreten, dass der erteilte Erbschein unrichtig und deshalb einzuziehen sei. Die Beteiligten zu 1 und 2 seien auf den Pflichtteil nach dem Erblasser gesetzt, da sie Pflichtteilsansprüche nach ihrer Mutter geltend gemacht hätten.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben dagegen eingewandt, die Pflichtteilsstrafklausel greife nicht ein. Ihre Erklärung zur Niederschrift des österreichischen Notars am 22.7.2002 stelle einen Erlassvertrag über die Pflichtteilsansprüche dar, sodass der gerichtlichen Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs per Mahnbescheidsantrag keine Wirksamkeit zukommen könne. Tatsächlich sei ein Pflichtteil auch nicht ausbezahlt worden. Außerdem habe man dem Vater vor Augen führen wollen, dass man gegen ihn gerichtlich angehe, wenn er sein Verhalten im Hinblick auf das Erbe der Mutter fortsetze.
Aufgrund des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 18.6.2007 wurde der Erbschein eingezogen. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben dagegen Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, ihnen erneut einen Erbschein zu erteilen. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 das Ziel der Wiedererteilung des Erbs...