I. Weiterhin Vorläufigkeit wegen der geplanten gesetzlichen Neuregelung
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 31.12.2008 für eine verfassungskonforme Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts zu sorgen. Dementsprechend haben die obersten Finanzbehörden der Länder bereits mit gleich lautenden Erlassen vom 19.03.2007 angeordnet, dass alle Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide nur noch vorläufig ergehen (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO). In alle Steuerbescheide wird seitdem folgender Erläuterungstext aufgenommen:
"Die Festsetzung der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf die durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02 – angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang vorläufig. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist insoweit nicht erforderlich."
Mit gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.3.2008 wurden die Erlasse vom 19.3.2007 nunmehr vollständig aufgehoben. Im Hinblick auf die geplante Neuregelung zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ergehen die Steuerbescheide allerdings unverändert nur vorläufig (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO) und werden weiterhin um den gleichen Erläuterungstext ergänzt.
Ein Anlass für die neuen Ländererlasse ist (insoweit) nicht ersichtlich und wird auch nicht mitgeteilt. Das Gesetzgebungsverfahren ist immer noch nicht abgeschlossen, so dass sich seit den letzten Ländererlassen vom 19.3.2007 keine Veränderung ergeben hat. Der Vorläufigkeitsvermerk ist in diesem Punkt somit unverändert.
Nachdem die bislang vorgelegeten Gesetzesentwürfe ein rückwirkendes Inkrafttreten der Neuregelungen zu Lasten des Steuerpflichtigen nicht vorsehen (und dies politisch derzeit auch nicht beabsichtigt ist), überrascht es allerdings, dass der Vorläufigkeitsvermerk (weiterhin) keine entsprechende Einschränkung vorsieht (z. B. Sollte aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dieser Steuerbescheid aufzuheben oder "zu Gunsten des Steuerpflichtigen" zu ändern sein [...]). Die Steuerbescheide ergehen vielmehr "in vollem Umfang" vorläufig. Die verfahrensrechtliche Möglichkeit, den Steuerbescheid zu Lasten des Steuerpflichtigen zu ändern läuft aber ins Leere, solange das materielle Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz keine Rückwirkung vorsieht. Eine solche ist derzeit nicht geplant und wäre wohl auch verfassungsrechtlich unzulässig.
II. Keine Vorläufigkeit mehr wegen Haushaltsbegleitgesetz 2004
Die Ländererlasse vom 19.3.2007 und vom 10.3.2008 sind in Bezug auf die geplante Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts wörtlich identisch. Beide Erlasse unterscheiden sich aber ganz wesentlich in Bezug auf das Haushaltsbegleitgesetz 2004. Aufgrund der Ländererlasse vom 19.3.2007 ergingen die Steuerbescheide auch insoweit nur vorläufig (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO), was durch folgenden Erläuterungstext deutlich gemacht worden ist:
"Die Festsetzung der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AO im Hinblick auf die durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02 – angeordnete Verpflichtung zur gesetzlichen Neuregelung in vollem Umfang vorläufig. Sie ist ferner gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Anwendung der §§ 13 a, 19 a ErbStG in der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076, 2004 I S. 69) geänderten Fassung. Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Anwendung der §§ 13 a, 19a ErbStG erfasst nur die Frage, ob diese Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Sie erfolgt aus verfahrenstechnischen Gründen und ist nicht dahin zu verstehen, dass diese Vorschriften als verfassungswidrig angesehen werden. Sollte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Aufhebung oder Änderung dieses Steuerbescheids erfordern, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen. Gleiches gilt, falls aufgrund der durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7....