Nach ständiger Rechtsprechung verbietet Art. 56 Abs. 1 EG ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten.
Mangels einer Definition des Begriffs "Kapitalverkehr" iSd Art. 56 Abs. 1 EG im EG-Vertrag hat der EUGH bereits der Nomenklatur des Anhangs I der Richtlinie 88/361 – auch wenn diese Richtlinie auf die Art. 69 und 70 Abs. 1 EWG-Vertrag gestützt ist – Hinweischarakter zuerkannt. Er hat insoweit u. a. festgestellt, dass Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, unter die Rubrik XI des Anhangs I der Richtlinie 88/361 mit der Überschrift "Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter" fallen und dass es sich beim Erwerb von Todes wegen grundsätzlich um Kapitalverkehr im Sinne von Art. 56 EG handelt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem im Ausgangsfall zugrunde liegenden Sachverhalt keineswegs um eine rein innerstaatliche Angelegenheit, sodass die Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art. 56 Abs. 1 EG betroffen ist.
Bezüglich Erbschaften ergibt sich aus der EUGH-Rechtsprechung, dass zu den als Beschränkungen des Kapitalverkehrs nach Art. 56 Abs. 1 EG verbotenen Maßnahmen solche gehören, die eine Wertminderung des Nachlasses desjenigen bewirken, der in einem anderen Staat ansässig ist als dem Mitgliedstaat, in dem sich die betreffenden Vermögensgegenstände befinden und in dem deren Erwerb von Todes wegen besteuert wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Zwar führt der Umstand, dass Kapitalforderungen in Deutschland kein eine Steueranrechnung ermöglichendes "Auslandsvermögen" sind, dazu, dass es im Fall von Forderungen gegen ein Finanzinstitut, das in einem anderen Mitgliedstaat mit eigenem Besteuerungsrecht – hier dem Königreich Spanien – ansässig ist, zu einer höheren steuerlichen Belastung kommt als bei Forderungen gegen ein deutsches Finanzinstitut.
Es steht jedoch fest, dass die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung, soweit sie die Berechnung der Erbschaftsteuer regelt, die von einem Erben mit Wohnsitz in Deutschland auf Kapitalforderungen geschuldet wird, die eine Person besaß, die bei ihrem Ableben ihren Wohnsitz ebenfalls in Deutschland hatte, gleiche Bestimmungen für die Nachlassbesteuerung unabhängig davon vorsieht, ob das jeweilige Finanzinstitut in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.
Der Steuernachteil resultiert allein daraus, dass die beiden betroffenen Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel zueinander ausüben, und dabei der eine (Deutschland) Kapitalforderungen dann besteuert, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz in Deutschland hat, während der andere (Spanien) an den Sitz des Schuldners in Spanien anknüpft.
Das Gemeinschaftsrecht schreibt aber insoweit keine allgemeinen Kriterien für die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Dementsprechend ist bis heute im Rahmen des Gemeinschaftsrechts keine Maßnahme der Vereinheitlichung oder Harmonisierung zum Zweck der Beseitigung von Doppelbesteuerungstatbeständen erlassen worden. Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten über eine gewisse Autonomie in diesem Bereich verfügen und deshalb nicht verpflichtet sind, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um mögliche Doppelbesteuerungen zu vermeiden.
Zwar lässt die deutsche nationale Regelung für den Fall, dass der Erblasser bei seinem Ableben seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland hat, eine Anrechnung der dort von einem deutschen Erben auf Kapitalforderungen bei ausländischen Finanzinstituten gezahlten Erbschaftsteuer zu. Das beruht jedoch darauf, dass diese Kapitalforderungen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG unter den Begriff des Auslandsvermögens fallen.
Auch diese unterschiedliche Behandlung ergibt sich daraus, dass Deutschland – wie es ihm im Rahmen seiner Besteuerungsbefugnisse zusteht –, den Wohnsitz des Gläubigers als Anknüpfungskriterium für die Behandlung des Nachlasses als "Auslandsvermögen" und demzufolge für die Anrechenbarkeit der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Erbschaftsteuer in Deutschland gewählt hat.
Außerdem garantiert der EG-Vertrag nach der ständigen Rechtsprechung des EUGH einem Unionsbürger nicht, dass die Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, steuerneutral ist. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich kann eine solche Verlegung für den Bürger je nach dem Einzelfall mehr oder weniger vorteilhaft sein.