Leitsatz
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die erbrechtliche Stellung eines vor dem 1. Juli 1949 nichtehelich geborenen Kindes.
BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 2009 – 1 BvR 755/08
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist am 15. November 1948 als nichteheliche Tochter des am 27. September 2003 verstorbenen Erblassers geboren. Über 50 Jahre nach ihrer Geburt hatten ihre Eltern am 28. Dezember 1998 die beiderseits erste Ehe geschlossen. In einem Erbvertrag vom 17. Juni 2002 hatte der Erblasser seine Ehefrau zur nicht befreiten Vorerbin und die Schwester der Beschwerdeführerin zur alleinigen Nacherbin bestimmt. Nach dem Tod des Erblassers verlangte die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter die Zahlung des Pflichtteils. Ihre Mutter erhob daraufhin Klage auf Feststellung, dass die Beschwerdeführerin keinen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters habe. Nachdem die Mutter am 23. August 2006 ebenfalls verstorben war und die Schwester der Beschwerdeführerin den Rechtsstreit übernommen hatte, erhob die Beschwerdeführerin Widerklage auf Zahlung eines Pflichtteils in Höhe von 55.786,60 EUR wegen des Todes des Vaters. Die Klage erklärten die Parteien daraufhin übereinstimmend für erledigt.
Das Landgericht wies die Widerklage durch Endurteil ab. Die Beschwerdeführerin habe kein Pflichtteilsrecht. Denn vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder seien nach dem gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (im Folgenden: NEhelG) vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1243) anwendbaren § 1589 Abs. 2 BGB aF nicht mit dem Vater verwandt. Diese Regelung habe das Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß erachtet (vgl. BVerfGE 44, 1). Durch die Heirat der Eltern sei die Beschwerdeführerin nicht zum ehelichen Kind geworden, weil § 1719 BGB aF, der die Legitimation durch nachfolgende Ehe regelte, durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) zum 1. Juli 1998 aufgehoben worden und damit zum Zeitpunkt der Heirat der Eltern am 28. Dezember 1998 bereits außer Kraft gewesen sei. Eine Weitergeltung der Vorschrift erachte das Gericht auch aus Billigkeitsgründen nicht für erforderlich, da durch die Einführung von Art. 12 § 10 a NEhelG die Anwendung des Art. 12 § 10 NEhelG durch Vereinbarung ausgeschlossen werden könne. Eine derartige Vereinbarung sei jedoch nicht geschlossen worden. Auch mit der Streichung der §§ 1934a ff BGB aF durch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder (Erbrechtsgleichstellungsgesetz – ErbGleichG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2968) habe sich die Stellung der Beschwerdeführerin nicht geändert.
Auf die dagegen eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass der Senat beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Das Landgericht gehe zutreffend davon aus, dass Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kinder insgesamt vom Erbrecht und damit auch vom Pflichtteilsrecht ausschließe. Zu den "bisher geltenden Vorschriften", die für erbrechtliche Verhältnisse dieser Kinder weiter anzuwenden seien, gehöre § 1719 BGB aF nicht, da er erst mit Wirkung vom 1. Januar 1977 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden sei. Ziel des "Reformgesetzes 1998" sei es zwar gewesen, die nichtehelichen Kinder den ehelichen gleichzustellen. Dieses Ziel habe der Gesetzgeber jedoch nicht uneingeschränkt verfolgt. Er habe es abgelehnt, die vor dem 1. Juli 1949 geborenen Kinder ebenfalls gleichzustellen, weshalb Art. 12 § 10 a NEhelG auch nur als Angebot an den künftigen Erblasser verstanden werden könne, durch eigene vertragliche Regelung für eine Gleichstellung zu sorgen. Mangels Regelungslücke scheide eine analoge Anwendung von Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG aus.
Auf die Stellungnahme der Beschwerdeführerin führte das Oberlandesgericht in einem ergänzenden Hinweis aus, § 1719 BGB aF könne nicht zur Stützung des Anspruchs herangezogen werden. Denn er sei zum 1. Juli 1998 aufgehoben, die Ehe aber erst am 28. Dezember 1998 geschlossen worden und nach der Übergangsvorschrift des Art. 227 Abs. 1 EGBGB gelte er nur noch für die vor dem 1. April 1998 eingetretenen Erbfälle. Als Ausgleich für den Wegfall der Legitimationswirkung sei Art. 12 § 10 a NEhelG eingefügt worden. Mit den "bisher geltenden Vorschriften" in Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG sei ersichtlich nicht § 1719 BGB aF gemeint, weil diese Vorschrift erst 28 Jahre später aufgehoben worden sei. Die Frage der Legitimation nach § 1719 BGB aF spiele im Zusammenhang mit dem NEhelG keine Rolle. Auch eine teleologische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Die unterschiedliche Behandlung nichtehelicher Kinder je nach dem, ob sie vor oder nach dem Stichtag des 1. Juli 1949 geboren seien, sei gewollt. Unter Bezugnahme auf beide Hinweise wies das Oberlandesgericht die Berufung durch Beschluss vom 8. Januar 2008, zugegangen am 18. Januar 2008, zurück.
Mit ihrer per Telefax ohne Anlagen am 15. Februa...