I. Kooperationsformen im Steuervollzug
Nach Prof. Dr. Drüen sei beim Steuervollzug der Kooperationsgedanke zwischen dem einzelnen Steuerpflichtigen und dem Fiskus zur Durchsetzung der Grundentscheidungen des materiellen Steuerrechts unumgänglich.
Zwar gelte die Steuerverwaltung als Paradebeispiel staatlicher Eingriffsverwaltung. Gleichwohl sei das Besteuerungsverfahren faktisch und rechtlich von einem kooperativen Gedankenansatz geprägt. Bedingungen für die Umsetzung dieses Kooperationsprinzips seien allerdings das Bestehen von Verantwortungstransparenz und -klarheit. Vertraue man allgemein der Kooperation als Grundprinzip, so bestünden gleichwohl Bedenken hinsichtlich der Kooperation zwischen Verwaltung und Privaten als arbeitsteiliger Gemeinwohlkonkretisierung. Während der Staat dem Gemeinwohl verpflichtet sei und hierbei der Gesetzesbindung unterliege, dürfe der Private sein Eigenwohl verfolgen, wozu auch das Ziel einer möglichst geringen Steuerbelastung gehöre. Insofern müsse das Kooperationsprinzip mit dem Verifikationsprinzip verbunden werden. Steuerverwaltung sei im Kern als Verifikationsverwaltung zu verstehen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, brauche die Finanzverwaltung effektive Verifikationsinstrumente als Gegengewicht zum Kooperationsprinzip.
Nach Ansicht von Prof. Dr. Drüen greife der von Kritikern eines kooperativen Steuerstaats beim Steuervollzug vorgetragene Ansatz, dass dem Steuerrecht ein allein hoheitliches Modell des Steuervollzugs inhärent sein solle, zu kurz. Richtig sei zwar, dass Kooperation nicht als Surrogat für eine Festsetzung der Steuerschuld durch Steuerbescheid dienen könne. Es müsse aber der Kooperationsgedanke bei der Vorbereitung implementiert werden, also nicht als Ersatz ordnungsrechtlichen Handelns, sondern als dessen Vorbereitung und als Kombination von hoheitlichem und kooperativem Handeln. Zur Wahrung von Legalität und Egalität der Besteuerung bedürfe es beim kooperativen Steuervollzug struktureller Kontrollmöglichkeiten durch Aufsichtsbehörden und Rechnungshöfe sowie effektiver verfahrensrechtlicher Sicherungen wie Schriftförmlichkeit und Zuständigkeitsregelungen.
II. Zeitnahe Betriebsprüfung als Erfolgsmodell
Nach Risse führe das derzeit praktizierte Besteuerungsverfahren, die klassische Betriebsprüfung in der Form der Außenprüfung, beim Steuerpflichtigen und bei den Finanzbehörden zu erheblichen Nachteilen. Lange Verfahren belasteten einzelne Steuerpflichtige mit hohen Administrationskosten. Große Unternehmen seien einer mangelnden Planungssicherheit ausgesetzt, sie könnten während der laufenden Betriebsprüfung die Belastung mit latenten Steuern nicht abschätzen. Außerdem bestehe die dauernde Gefahr, Steuernachforderungen, und damit einhergehend hohe Zinszahlungen, erfüllen zu müssen. Ein Nachteil für die Finanzbehörde sei, dass der Steueranspruch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt tatsächlich realisiert werden könne.
Risse folgerte, dass die Betriebsprüfung in Deutschland grundsätzlich beschleunigt werden müsse. Voraussetzung hierfür sei ein Paradigmenwechsel vom konfrontativen zum kooperativen Steuerstaat. Zwischen Unternehmen und Finanzbehörden müsse zum beiderseitigen Vorteil eine enge Zusammenarbeit auf Verständigungsbasis erfolgen. Er sprach sich aus diesem Grund für eine zeitnahe Betriebsprüfung aus, da hier Steuerunsicherheiten vor allem auf Seiten der Unternehmen minimiert würden und der administrative Aufwand reduziert würde.
III. Beispiel Niederlande: traditionelle Betriebsprüfung abschaffen
Nach dem niederländischen Besteuerungssystem, so Prof. Dr. Meussen, werde versucht, ein System zwischen dem Steuerpflichtigen und der Verwaltung zu implementieren, das von Vertrauen, Transparenz und Verständnis geprägt sei. Ziel sei es, mehr Abstimmung vor Abgabe der Steuererklärung zwischen den Beteiligten zu erreichen, damit die Kontrollen im Rahmen der Betriebsprüfung reduziert werden könnten. Die Form und Intensität der Aufsicht durch die Steuerbehörde werde abgestimmt auf die Qualität der internen Kontrollen der Unternehmen. Durch einen starken Personalabbau bei der dortigen Finanzverwaltung finde eine schleichende Privatisierung statt, indem die Aufgaben auf die Steuerpflichtigen übertragen würden.
Dieses in den Niederlanden praktizierte Besteuerungsverfahren führe für die beteiligten Parteien zu einer "Win-Win-Situation". Die Steuerverwaltung profitiere, weil sie nicht mit der Prüfung alter Steuerforderungen aus der Vergangenheit belastet werde. Gleichzeitig würden steuerpflichtige Unternehmen schnell Rechtssicherheit über ihre Steuersituation erlangen.