Wie schon im ersten Entwurf wird eine Rückwirkung statuiert, dass nur für Erbfälle ab dem 29.5.2009 die neuen Regelungen gelten sollen.
(1‘) Der Gestattung der Rückwirkung an sich ist zuzustimmen. Jedenfalls für ab dem 29.5.2009 auftretende Erbfälle muss daher das neue Recht Anwendung finden.
(2‘) Diese Regelung geht aber nach Auffassung des Autors nicht weit genug. Es muss eine zeitlich unbegrenzte Rückwirkung gefordert werden.
(1“) Zwar ist anzuerkennen, dass eine vor dem 28.5.2009 greifende Wirkung des neuen Gesetzes grundsätzlich eine Fallgruppe der "echten" Rückwirkung erfüllen kann, in deren Rahmen Vertrauensschutzaspekte, geschützt durch Art. 14 GG und auch die EMRK selber, zu beachten sind.
(2“)Anders gewendet kann aber dann, wenn sich kein Vertrauen bilden konnte oder tatsächlich etwa entstandenes Vertrauen im Einzelfall keinen Schutz genießt, das Rückwirkungsverbot keine Wirkung zeitigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betroffene schon zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Rückwirkung bezieht, nicht mehr mit dem Fortbestand der alten Regelung oder Rechtslage rechnen durfte. Solches ist hier der Fall, und zwar nicht erst seit dem Urteil des EGMR zum 28.5.2009. Es gibt mehrere frühere Urteile des BVerfG, die sich zum Pflichtteilsrecht äußerten. Hierin wurde deutlich statuiert, die Pflichtteilsberechtigung eines Abkömmlings am Nachlass seiner Eltern sei unabdingbarer Bestandteil der deutschen Rechtsordnung und als Bestandteil der Erbrechtsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, sei gerade auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG, der die (eheliche) Familie besonders schütze, und der Testierfreiheit des Erblassers, ebenfalls in Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Letztlich sei durch Art. 6 Abs. 1 GG eine Berechtigung des Abkömmlings am Nachlass seiner Eltern als verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition zwingend erforderlich, sodass eine "unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder eines Erblassers an dessen Nachlass" durch Art. 14 Abs. 1, 6 Abs. 1 GG geboten sei. Dem ist zuzustimmen. Hierbei hatte das BVerfG jeweils nur auf die Position des Betroffen als "Abkömmling", nach §§ 1598 ff BGB, also die des genetischen und blutsverwandten Abstammenden, abgestellt und keine Begrenzung im Hinblick auf eine eheliche Abstammung statuiert. Wenn aber schon früher als zum 29.5.2009 eine "wirtschaftliche Mindestbeteiligung des Abkömmlings" am Nachlass der Eltern anerkannt wurde ohne Differenzierung zwischen ehelicher und nicht ehelicher Abstammung, so vermag es nicht zu überzeugen, wenn sodann den betroffenen nichtehelichen Kindern eine Erben-, zumindest eine Pflichtteilsposition aberkannt wird.
(3“) Weiter begründet, was das BMJ selber anerkennt, das Festhalten an einem konventionswidrigen Zustand einen erneuten Verstoß gegen die EMRK, weshalb der Staat gehalten sei, Entsprechendes zu unterbinden. Insofern verwundert es, dass der einzig konsequente Schritt, nämlich die Rückwirkung eben nicht zeitlich zu begrenzen, dann unterlassen wird.
(4“) Es genügt auch nicht, als mögliches Korrektiv auf die Möglichkeit des Erblassers zu verweisen, durch Verfügung von Todes wegen das Problem zu lösen. Ist der Erblasser zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Entwurfes bereits testierunfähig oder will er nichts zu Gunsten seines Kindes regeln, so verbliebe diesem wiederum nichts.
(5“) Letztlich wird damit argumentiert, der EGMR habe in seinem Urteil nicht bestimmt, es müsse eine zeitlich nicht begrenzte Rückwirkung erfolgen, weshalb dieses unterbleiben könne. Auch dies vermag nicht zu überzeugen, auch nicht unter Verweis auf das auch in der EMRK selbst verankerte Rückwirkungsverbot. So hat der EGMR schließlich einen Verstoß gegen die EMRK erkannt und gerügt und sich ausdrücklich zu der bisherigen Rechtslage in Deutschland geäußert. Wenn aber auch das Rückwirkungsverbot in der EMRK selbst verankert ist, so muss dessen Reichweite zumindest dann teleologisch reduziert werden, wenn durch eine Entscheidung des EGMR massive Verstöße gegen die EMRK beseitigt werden, um einen Zustand der materiellen Gerechtigkeit bei EMRK-konformem Rechtszustand herzustellen. Eine angebliche Rechtsunsicherheit ist dabei unbeachtlich: Die Gefahr der Rückabwicklung von Erbfällen wird durch die Regelung relativiert, dass nur auf Antrag die Erbscheinsverfahren neu aufgerollt werden. Mögliche faktische Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung von Erbsachen, in denen Väter und deren nichteheliche Kinder beteiligt sind, rechtfertigen nicht die Perpetuierung einer EMRK-widrigen Rechtslage.
(6“) Weiter ist ein fiskalisches Problem zu beachten, das eine Ausdehnung der Regelungen weiter in die Vergangenheit als bis zum 29.5.2009 gebietet. Personen, die in ihren Rechten aus der EMRK verletzt würden, steht eine Entschädigung nach Art. 41 EMRK zu. Hiervon profitieren letztlich eheliche Kinder, die nichteheliche Halbgeschwister nach dem Vater haben, siehe oben (Ziffer II, Nr. 2, (2)). Begrenzte man die R...