1. Der EGMR stellte nun am 28.5.2009 fest: Die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung verstoße gegen Art. 14 iVm Art. 8 der EMRK, da Art. 8 EMRK gerade auch das Erbrecht der Kinder bezüglich deren Eltern als Teil des Familienlebens schütze und Art. 14 EMRK gebiete, nichteheliche und eheliche Kinder gleich zu behandeln. Der EGMR hob im Rahmen seiner Entscheidung deutlich hervor, Deutschland bestreite ja nicht einmal die gerügte Ungleichbehandlung, deren Rechtfertigung sei aber entgegen der herrschenden deutschen Rechtsprechung nicht gegeben. Er verwies stattdessen darauf, nach modernen gesellschaftlichen Ansichten sei die Gleichstellung von nichtehelichen mit ehelichen Kindern ein hohes Gut. Eine offensichtliche Diskriminierung sei daher nur mit "sehr schwerwiegenden Gründen" zu rechtfertigen, und hierzu reichten Vertrauens- und Bestandsschutzrechte nicht aus. Das Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1977, auf das sich die deutsche Rechtsprechungspraxis bislang berufen hatte, beruhe insoweit auf überholten Vorstellungen und sei nicht mehr maßgeblich. Insgesamt konnte damit eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung nicht festgestellt werden, womit eine grundsätzliche Schadensersatzpflicht der BRD der Beschwerdeführerin gegenüber begründet wurde, Art. 41 EMRK.
2. Als Folge der Entscheidung war nun eine Änderung der Rechtslage in Deutschland geboten, und zwar aus zwei Gründen:
(1) Einerseits durfte aus Rechtsgründen ein durch den EGMR festgestellter Verstoß gegen die EMRK nicht perpetuiert werden. Zwar gilt die EMRK nur als "einfaches Gesetzesrecht". Gleichwohl haben Gerichte die Entscheidungen des EGMR bei der Rechtsanwendung zu beachten, insbesondere im Rahmen der Auslegung von innerstaatlichen Rechtsnormen. Bindungswirkung entsteht aber auch für sonstige staatliche Organe, also auch die Legislative, die aufgefordert ist, den EMRK-widrigen Rechtszustand zu beenden. Es ergab sich also eine Rechtspflicht der Bundesrepublik Deutschland, zeitnah einen EMRK-gemäßen Rechtszustand herzustellen.
(2) Andererseits war auch ein fiskalischer Aspekt und damit ein finanzieller Druck zu beachten: Staaten, denen vom EGMR unrechtmäßiges, der EMRK widersprechendes Handeln nachgewiesen wurde, sind grundsätzlich zum Schadensersatz gegenüber den benachteiligten Personen verpflichtet, Art. 41 EMRK. Würde nun keine Änderung der Rechtslage erfolgen, so wäre die BRD in Zukunft in nicht absehbarer Höhe weiteren potenziellen Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet. Dieses Risiko musste minimiert werden, insbesondere vor folgendem Hintergrund: So ist die Beteiligung der nichtehelichen Kinder am Nachlass des Vaters durch gesetzliche Erbfolge grundsätzlich zunächst eine wirtschaftlich relevante Angelegenheit lediglich zwischen Privatpersonen. Es ergäben sich also bei der Beteiligung der nichtehelichen Kinder am Nachlass Verschiebungen von Privatvermögen zwischen den ehelichen und den nichtehelichen Kinder des Vaters: Die ehelichen Kinder und etwaige Ehefrauen/eingetragene Lebenspartner erhielten nach gesetzlicher Erbfolge quotal weniger vom Nachlass, wenn die nichtehelichen Kinder hinzuträten. Es ist nicht einzusehen, dass – eine unterbleibende Änderung der Rechtslage unterstellt – die ehelichen Kinder und Ehegatten/eingetragene Lebenspartner Erbquoten ohne Berücksichtigung der nichtehelichen Kinder erhielten, die nichtehelichen Kinder aber – aus den Mitteln der Allgemeinheit finanzierte – Entschädigungen nach Art. 41 EMRK in Höhe der entgangenen fiktiven Erbquote. Dies führte auch im Ergebnis dazu, dass eheliche Kinder und Ehegatten/eingetragene Lebenspartner von Erblassern, die nichteheliche (Halb-)Geschwister/Stiefkinder haben, besser gestellt wären als eheliche Kinder mit nur ehelichen Geschwistern bzw. Ehegatten mit nur ehelichen Abkömmlingen. So erhielten eheliche Kinder nach dem Vater eine Erbquote ohne Berücksichtigung ihrer nichtehelichen Halbgeschwister, während eheliche Geschwister sich Quoten der anderen Geschwister entgegenhalten lassen müssten. Dieser Vorteil ginge zulasten der Allgemeinheit, denn diese müsste wirtschaftlich die rechnerische Erbquote der nichtehelichen Kinder über die Entschädigungszahlungen nach Art 41 EMRK an nichteheliche Kinder finanzieren.