Finanzbehörden und Finanzgerichte haben regelmäßig von dem Erbrecht auszugehen, wie es im Erbschein bezeugt ist. Für die deutschen Finanzbehörden ist der Nachweis der Rechtsnachfolge von Todes wegen neben dem Erbschein auch durch das Europäische Nachlasszeugnis verbindlich (europaweit gültige Urkunde; Art. 62 EU-ErbVO). ME gelten die zur Beweiskraft und Verbindlichkeit der Rechtsnachfolge durch Erbschein entwickelten Kriterien entsprechend auch für das Europäische Nachlasszeugnis (Art. 62 ff EU-ErbVO). Es ist – etwa wie ein deutscher Erbschein – zum Nachweis der Rechtsstellung als Erbe/Miterbe, Vermächtnisnehmer oder sonst Bedachter sowie zum Nachweis der Testamentsvollstreckerschaft/Nachlasspflegerschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu verwenden (Art. 63 Abs. 1 EU-ErbVO), ersetzt aber nicht innerstaatliche Schriftstücke, die in den Mitgliedstaaten für ähnliche Zwecke verwendet werden. Die Ausstellungsbehörde stellt jedem Antragsteller und jeder anderen Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, auf Antrag eine oder mehrere beglaubigte Abschriften aus, welche jedoch maximal sechs Monate gültig sind (Art. 70 Abs. 3 EU-ErbVO). Die Urschrift verbleibt bei der Ausstellungsbehörde (Art. 70 Abs. 1 EU-ErbVO). Liegt es vor – d. h. es muss nicht zwingend beschafft werden –, hat es für Gerichte und Behörden insofern Beweiskraft, dass es die gesetzliche Vermutung erzeugt, dass die festgestellten Sachverhalte, Tatsachen zutreffend sind (Art. 69 Abs. 2 EU-ErbVO). Ein Erbe kann sich frei entscheiden, ob er einen deutschen Erbschein oder ein Europäische Nachlasszeugnis beantragen will. Laut EuGH sind für die Erteilung von nationalen und Europäischen Nachlasszeugnissen ausschließlich die in Art. 4 ff EU-ErbVO bestimmten Gerichte zuständig; für eine Zuständigkeit aus §§ 105, 343 ff FamG verbleibt – jedenfalls in der EU – kein Raum mehr. Das bedeutet z. B. in einem Fall, in dem ein in Mallorca lebender Deutscher in Mallorca verstirbt und sein Vermögen (teilweise) sich in Deutschland befindet, dass die Erben bei einem mallorquinischen Nachlassgericht das Europäische Nachlasszeugnis beantragen müssen.
Generell gilt nach der EU-ErbVO: Eine in einem anderen Mitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde im Bereich der Rechtsnachfolge von Todes wegen hat in einem anderen Mitgliedstaat grds. die gleiche Beweiskraft wie im Ursprungsmitgliedstaat (näheres Art. 59 EU-ErbVO). Die formelle Beweiskraft in einem anderen Mitgliedstaat richtet sich nach dem Recht des Ursprungmitgliedstaates. Zweifelsfälle müssen durch ein nach der EU-ErbVO zuständiges Gericht geklärt werden.
Hinweis: Durch das (deutsche) "Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften" wurden z. B. die Vorschriften über die Zuständigkeit und Erteilung von Erbscheinen aus dem BGB in das FamFG verlagert und neugeregelt (§§ 352 ff FamFG). Durch das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG) v. 29. 6. 2015 ist die verfahrensrechtliche Durchführung der EU-ErbVO geregelt worden. In § 35 GBO wird der Nachweis durch das Europäische Nachlasszeugnis anerkannt. Weitere Anpassungen sind im Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotKG), im Rechtspflegergesetz (RPflG) und im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGBEG) vorgenommen worden.