Aus steuerlicher Sicht ist festzustellen, dass durch die EU-ErbVO die Steuerprobleme nicht mehr, sondern ggf. andere geworden sind. Beratungen/Gestaltungen hängen sehr stark davon ab, ob diese aus der Sicht des potentiellen Erblassers oder der Sicht des (potentiellen) Erwerbers erfolgen sollen. Dabei sind zudem Beratungen zu erbrechtlichen Fragen und Gestaltungen und zu erbschaftsteuerlichen Fragen zu unterscheiden, bzw. deren Wechselwirkungen mit ins Kalkül zu ziehen. Schon erfolgte Gestaltungen/Testament etc. sollten an die EU-ErbVO und ggf. an die EU-GüVO/EU-PartVO angepasst werden.
Für das Vorliegen einer deutschen Erbschaftsteuerpflicht sind (grob) 4 Prüfungs-Stufen zu durchlaufen:
Stufe 1: Zivilrechtliche Feststellung eines Erwerbs durch Rechtsnachfolge von Todes wegen iSd der EU-ErbVO: Im Zweifel sind für Entscheidungen in Erbrechtsachen die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 4 EU-ErbVO, EG 23 S.2 EU-ErbVO). "Variable" sind das Vorliegen des "gewöhnlichen Aufenthalts" (unter Beachtung von Art. 21 Abs. 2 EU-ErbVO), "gesamter Nachlass" und ggf. eine Rechtswahl. Subsidiäre Zuständigkeiten richten sich nach Belegenheit der Nachlassgegenstände (Art. 10 EU-ErbVO) oder nach Einzelfallentscheidung eines Gerichts (Notzuständigkeit Art. 10 EU-ErbVO). Die Verfahrensbeteiligten/Erben haben die Möglichkeit (Art.5 ff EU-ErbVO), auf die internationale Zuständigkeit Einfluss zu nehmen, z. B. durch Gerichtsstandvereinbarung oder auf Antrag. War der Erblasser z. B. zuletzt in der Grenzregion des Landes A ansässig, befindet sich sein Vermögen aber hauptsächlich im angrenzenden Land B, kann es vorteilhaft sein, die Zuständigkeiten des Landes B zu wählen (zu weiteren Zuständigkeitsfragen Art. 14 ff EU-ErbVO). Neben der internationalen Zuständigkeit ist dann noch die örtliche, sachliche und/oder funktionale Zuständigkeit nach dem jeweiligen nationalen Recht zu ermitteln. Für die deutsche Erbschaftsbesteuerung hat die Frage der Zuständigkeiten selbst materiell keine essentielle Bedeutung, aber die wirksame Feststellung der zuständigen Institution über Art und Umfang des Erbrechts einschl. der erbberechtigten Person.
Stufe 2: Feststellung einer Steuerpflicht dem Grunde nach: Liegt nach § 2 ErbStG, ggf. AStG oder nach DBA oder internationalen Abkommen überhaupt deutsche Erbschaftsteuerpflicht vor? Die Prüfung bezieht sich auf die unter Berücksichtigung der EU-ErbVO bestimmten Erblasser und Erben/sonst Bedachten.
Stufe 3: Feststellung eines Erwerbs von Todes wegen iSd § 3 ErbStG: Ist der Erwerb im Ausland oder aus dem Ausland als ein in § 3 ErbStG genannter Erwerb von Todes wegen zu qualifizieren?
Stufe 4: Erst wenn alle Vorfragen zu bejahen sind, kann/wird es zu einer Veranlagung und Erhebung der deutschen ErbSt kommen.