Zu den anerkannten Auslegungsmethoden zählt auch diejenige anhand der Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Der Einstiegstest des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG wurde durch den Finanzausschuss am 22.6.2016 kurz vor dem Auslaufen der vom BVerfG gesetzten Frist eingefügt und im Anschluss vom Vermittlungsausschuss so beschlossen. Hierbei sind zwei Aspekte nicht berücksichtigt worden, obwohl sie das BVerfG in der Entscheidung, die das Gesetzgebungsverfahren notwendig werden ließ, erwähnt hatte.
aa) Missbrauch
Zum einen wurde der Gesetzgeber durch eine vom BVerfG korrigierte Rechtsauffassung des BFH dazu veranlasst, § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG einzufügen. In dem Vorlagebeschluss vom 27.9.2012 führte der BFH aus, eine Beseitigung der Verfassungsverstöße durch verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich, da § 42 AO auf Cash-Gesellschaften nicht angewendet werden könne. Diese Rechtsansicht wurde vom BFH insbesondere damit begründet, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines JStG 2013 ersichtlich davon ausgegangen sei, Cash-Gesellschaften stellten keine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO dar, da er andernfalls die Änderungen des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ErbStG nicht gefordert hätte. Dabei hatte der II. Senat des BFH selbst die Ursache dieser Gesetzesinitiative gesetzt. Dem Vorlagebeschluss vom 27.9.2012 vorausgegangen war die Aufforderung des BFH an das BMF vom 5.10.2011, dem Verfahren beizutreten. In diesem Beschluss hatte der BFH die missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten mit Cash-Gesellschaften ausführlich dargelegt, ohne eine Korrektur über § 42 AO auch nur zu erwähnen. Vielmehr wurde bereits in dem Aufforderungsbeschluss u.a. mit der Möglichkeit, über Cash-Gesellschaften die Begünstigungen der §§ 13a, 13 b ErbStG a.F. missbräuchlich zu nutzen, die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschriften begründet. Die Neufassung von § 13a Abs. 4, Abs. 5a und § 13 Abs. 2 sowie Abs. 2a ErbStG wurde vom Bundesrat daraufhin wie folgt begründet:
Zitat
"Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beiladungsbeschluss vom 5.10.2011 (Az. II R 09/11) Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt, mit denen Privatvermögen den Begünstigungen für Betriebsvermögen zugeführt werden kann."
Die vom BFH in der Beitrittsaufforderung vom 5.10.2011 und dem Vorlagebeschluss vom 27.9.2012 aufgestellte Prämisse, § 42 AO sei auf derartige Gestaltungen nicht anwendbar, wurde vom BVerfG verworfen. Ende Juni 2016 stand der Gesetzgeber unter starkem Zeitdruck, da ihm das BVerfG in der Entscheidung vom 17.12.2014 auferlegt hatte, eine Neuregelung bis spätestens zum 30.6.2016 zu treffen. Aus diesem Grund wurde in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 22.6.2016 m.E. die Möglichkeit, missbräuchlichen Gestaltungen mit § 42 AO zu begegnen, nicht hinreichend beachtet.
bb) Saldierung
Zum anderen wurde die Gesetzesentwicklung im Hinblick auf Finanzmittel, ihre Saldierung mit Schulden und Qualifikation als Verwaltungsvermögen, die bereits zu dem weitgehenden Ausschluss missbräuchlicher Gestaltungen aus den Begünstigungen durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013, geführt hatte, nicht hinreichend berücksichtigt. Denn die Entscheidung über die Vorlagefrage erging zum ErbStG in der am 1.1.2009 geltenden Fassung. Dazu führte das BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 am Ende der Rn 234 aus:
Zitat
"Finanzmittel wie Geld oder Geschäftsguthaben zählten in dem für das Ausgangsverfahren des Vorlagebeschlusses maßgeblichen Jahr 2009 nach der Auslegung des BFH nicht zum Verwaltungsvermögen (zur Neuregelung im Jahre 2013 s. unten e dd)."
Unter lit. e dd stellte das BVerfG fest:
Zitat
"§§ 13a und 13 b ErbStG sind gleichheitswidrig, soweit sie die Begünstigung der vom BFH angeführten "Cash-Gesellschaften" zulassen. Die Bestimmungen des § 13b Abs. 1 und 2 ErbStG in der bis zum Inkrafttreten des neu durch das AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) eingefügten § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG geltenden Fassung übe...