Die Erbschaftsteuerrichtlinien 2019, denen der Bundesrat am 11.10.2019 zugestimmt hat, lassen die Tendenz der Finanzverwaltung erkennen, über den Wortlaut des eingeschobenen Halbsatzes in § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG hinaus, der mit "soweit" beginnt, mit "entzogen ist" endet und den Abzug bei CTA-Strukturen zum Gegenstand hat, Verwaltungsvermögen, das Altersversorgungsverpflichtungen insolvenzgesichert abdeckt, zum Abzug zuzulassen. Der grundlegende "Webfehler" der Bruttobetrachtung des Verwaltungsvermögens besteht aber in der Praxis fort.
1. Klarstellung oder Vorlage?
Der Gesetzgeber hat sich bisher nicht zu einer Klarstellung der weder zielgenauen noch folgerichtigen Ausgestaltung des Einstiegstests durchringen können. Als Lösungsmöglichkeit wird daher der Rechtsweg, notfalls wiederum bis vor das BVerfG, gesehen. Dies würde aber bedeuten, dass sich das BVerfG ein viertes Mal seit 1995 mit dem ErbStG befassen müsste. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das BVerfG in der Entscheidung vom 17.12.2014 über die Vorlage des BFH vom 27.9.2012 einen verfassungsgestützten Auslegungsauftrag mit dem Satz formuliert hat:
Zitat
"Die Finanzgerichte sind allerdings bei der Auslegung und Anwendung des § 42 AO nach Möglichkeit gehalten, mit Hilfe dieser Bestimmung über den Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Steuerrecht solchen Gestaltungspraktiken entgegenzuwirken, die sonst zur Verfassungswidrigkeit einer Norm führen."
2. Auslegung
Somit ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie diesem Auslegungsauftrag entsprochen werden kann.
a) Historische Auslegung
Zu den anerkannten Auslegungsmethoden zählt auch diejenige anhand der Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Der Einstiegstest des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG wurde durch den Finanzausschuss am 22.6.2016 kurz vor dem Auslaufen der vom BVerfG gesetzten Frist eingefügt und im Anschluss vom Vermittlungsausschuss so beschlossen. Hierbei sind zwei Aspekte nicht berücksichtigt worden, obwohl sie das BVerfG in der Entscheidung, die das Gesetzgebungsverfahren notwendig werden ließ, erwähnt hatte.
aa) Missbrauch
Zum einen wurde der Gesetzgeber durch eine vom BVerfG korrigierte Rechtsauffassung des BFH dazu veranlasst, § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG einzufügen. In dem Vorlagebeschluss vom 27.9.2012 führte der BFH aus, eine Beseitigung der Verfassungsverstöße durch verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich, da § 42 AO auf Cash-Gesellschaften nicht angewendet werden könne. Diese Rechtsansicht wurde vom BFH insbesondere damit begründet, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines JStG 2013 ersichtlich davon ausgegangen sei, Cash-Gesellschaften stellten keine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO dar, da er andernfalls die Änderungen des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ErbStG nicht gefordert hätte. Dabei hatte der II. Senat des BFH selbst die Ursache dieser Gesetzesinitiative gesetzt. Dem Vorlagebeschluss vom 27.9.2012 vorausgegangen war die Aufforderung des BFH an das BMF vom 5.10.2011, dem Verfahren beizutreten. In diesem Beschluss hatte der BFH die missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten mit Cash-Gesellschaften ausführlich dargelegt, ohne eine Korrektur über § 42 AO auch nur zu erwähnen. Vielmehr wurde bereits in dem Aufforderungsbeschluss u.a. mit der Möglichkeit, über Cash-Gesellschaften die Begünstigungen der §§ 13a, 13 b ErbStG a.F. missbräuchlich zu nutzen, die Verfassungswidrigkeit dieser Vor...