Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Gestaltung des Supervermächtnisses schon in zivilrechtlicher Hinsicht mit einer gewissen Rechtsunsicherheit belastet ist, da es keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, die sich unmittelbar mit dieser Gestaltung auseinandersetzt und es daher bei den kontroversen Auffassungen in der Literatur verbleibt. Wird die Gestaltung aber zu Absicherungszwecken so gewählt, dass sie selbst einer restriktiven gerichtlichen Überprüfung standhalten könnte, so schränkt dies die anvisierten Gestaltungszwecke ein.
Die aufgezeigten Anforderungen, die das Erbschaftsteuerrecht an die Gestaltung stellt, schränken deren Flexibilität weiter ein. Zudem gibt Everts zu Recht zu bedenken, dass die Gestaltung letztlich von der Aufrechterhaltung der differenzierenden BFH-Rechtsprechung im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 1a) ErbStG abhängt, die jedoch nicht gesichert ist, sodass jedenfalls eine sorgfältige Beobachtung der Rechtsprechungsentwicklung angezeigt ist.
Die Gestaltung des klassischen Supervermächtnisses lässt zudem außer Acht, dass bei vermögenden Familien vielfach der Wunsch besteht, dass das Vermögen des erstversterbenden Ehegatten zumindest teilweise sicher an die Abkömmlinge des Erstversterbenden fällt, indem die Kinder z.B. bereits beim Tod des Erstversterbenden per Vermächtnis bestimmte Vermögenswerte erhalten. Im Gegenzug sind die Ehegatten dann meist bereit, dem länger lebenden Ehegatten im Rahmen der Regelungen zur Wechselbezüglichkeit größere Freiheiten einzuräumen. Sollen die Abkömmlinge beim Tod des Erstversterbenden zunächst noch gar keine Vermögenswerte erhalten, tendieren vermögende Ehegatten demgegenüber oft zu einer stark ausgeprägten Wechselbezüglichkeit oder sogar zur Anordnung von Vor- und Nacherbschaft. Zudem kann die Ausübung des Bestimmungsrechts den Familienfrieden nachhaltig stören, wenn sich ein Vermächtnisnehmer (willkürlich) nachteilig behandelt und zurückgesetzt fühlt, was schließlich in einem Rechtsstreit zur gerichtlichen Überprüfung der Bestimmungsentscheidung gipfeln kann. Vor diesem Hintergrund ist die von der Gestaltungspraxis angestrebte völlige Entscheidungsfreiheit des länger lebenden Ehegatten über das Ob und die Höhe der Vermächtniseinsetzung beim sog. Supervermächtnis eher kontraproduktiv.
Insgesamt lässt sich die Gestaltung des sog. Supervermächtnisses in der klassischen Form daher zwar weniger mit Blick auf dessen Zulässigkeit, als eher mit Blick auf dessen Zweckmäßigkeit als "grenzwertig" oder nur bedingt geeignet bezeichnen. Ob zu einem klassischen Supervermächtnis geraten werden kann, lässt sich daher nur nach sorgfältiger Abwägung der Interessen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gestaltungsalternativen entscheiden.
Dem soeben geschilderten Interessen der Ehegatten lässt sich in der Gestaltungspraxis denkbar einfach Rechnung tragen: durch eine Kombination aus einem unmittelbar fälligen und in der Höhe nicht im Belieben des längerlebenden Ehegatten stehenden Vermächtnis und einem zusätzlichen mehr oder weniger im Belieben des längerlebenden Ehegatten stehenden Supervermächtnis.
Um auch bei dieser Gestaltung eine gewisse Flexibilität zu erhalten und eine häufige Anpassung der letztwilligen Verfügung wegen Änderungen in den Vermögensverhältnissen der Ehegatten zu vermeiden, bietet es sich an, als Sockelvermächtnisse für jeden Abkömmling ein Vermächtnis bis zur Höhe seines Erbschaftsteuerfreibetrages auszusetzen, dieses aber insoweit in der Höhe zu beschränken, als dass die Summe der Vermächtnisse einen bestimmten Anteil am Wert des Nachlasses nicht überschreiten darf. Je nachdem wie groß das Vermögen der Ehegatten ist und wie dieses sich weiterentwickeln wird, lässt sich ein passender Anteil bestimmen, um einerseits möglichst viel Vermögen erbschaftsteuerfrei zu übertragen und andererseits den überlebenden Ehegatten hinreichend zu versorgen. Zusätzlich wird ein Supervermächtnis angeordnet, um sowohl durch das Sockelvermächtnis nicht ausgeschöpfte Erbschaftsteuerfreibeträge auszunutzen als auch – für den Fall des Überschreitens der Erbschaftsteuerfreibeträge – die Erbschaftsteuerprogression nach § 19 ErbStG abzumildern. Um die hinreichende Bestimmtheit des Zweckes gerade für letzteren Fall zu gewährleisten, sollte auch dieses Vermächtnis mit einem Höchstanteil am Nachlass begrenzt werden.
Gerade bei großen Vermögen, zu deren möglichst erbschaftsteuerfreier bzw. erbschaftsteuergünstiger Übertragung ohnehin in regelmäßigen Abständen schon zu Lebzeiten Vermögenswerte im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden, bietet diese Kombination die optimale Lösung, um den zeitlichen Zwischenraum zwischen der letzten Übertragung zu Lebzeiten und dem ungewissen Zeitpunkt des Erbfalls rechtssicher und interessengerecht zu überbrücken.