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Die Berechnung und Auszahlung der zum 1.1.2021 eingeführten Grundrente wird nicht vor Ende 2022 abgeschlossen sein, so dass sich bei geschätzten 1,3 Millionen Grundrenten-Berechtigten (im fortgeschrittenen Alter) die Frage nach der Vererblichkeit des entsprechenden Nachzahlungsanspruchs stellen wird. Der Beitrag stellt die sozialrechtliche Ausgangslage dar, wonach sozialrechtliche Ansprüche unvererblich sind, solange sie nicht positiv festgestellt sind oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Er erläutert, warum aufgrund der Besonderheiten der "Grundrente" ausnahmsweise die bereits laufenden Vorbereitungshandlungen der Rentenversicherungsträger für die Annahme der Vererblichkeit ausreichen müssen.
I. Einführung der Grundrente
Die zum 1.1.2021 eingeführte Grundrente soll in Anerkennung der "Lebensleistung" von mindestens 33 Beitragsjahren zu einer Erhöhung der bestehenden Rente von Niedrigrentnern führen. Rund 1,3 Millionen Rentner und (vornehmlich) Rentnerinnen werden nach Schätzung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in Form einer Rentenerhöhung von durchschnittlich 75 EUR, maximal 418 EUR pro Monat profitieren. Da alle 26 Millionen Rentenkonten geprüft und hierfür eigene Software eingeführt werden muss, schätzt die DRV, dass die ersten Auszahlungen im Sommer 2021 beginnen und für Bestandsrentner (frühestens) Ende 2022 abgeschlossen sein werden: "Die Rentenversicherung ermittelt automatisch die Zeiten und prüft auch die weiteren Voraussetzungen für alle Rentnerinnen und Rentner. Niemand muss sich also bei der Rentenversicherung melden und einen Antrag stellen, um die neue Leistung zu erhalten. (…) Die Arbeiten zur Umsetzung des Grundrentengesetzes laufen bereits auf Hochtouren". Was aber passiert mit dem Erhöhungsanspruch, wenn der Rentenberechtigte vor der Nachzahlung bzw. deren Festsetzung verstirbt?
II. Rentenanspruch unvererblich
Grundsätzlich sind alle sozialrechtlichen Ansprüche, also auch Rentenansprüche, unvererblich. Auch wenn § 58 S. 1 SGB I etwas Anderes zu sagen scheint ("Soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach den §§ 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs vererbt."), ist vorrangig § 59 S. 2 SGB I zu beachten, wonach Ansprüche auf Geldleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen, wenn sie weder festgestellt sind, noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.
III. Ausnahmsweise Vererblichkeit
Eine Vererblichkeit ist daher nur ausnahmsweise gegeben, soweit die Ansprüche beim Tod des Berechtigten fällig waren (§ 58 SGB I) und entweder festgestellt oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig waren (§ 59 SGB S. 2 SGB I). Die Fälligkeit ist dabei für die Monate zwischen dem 1.1.2021 und dem Todestag unproblematisch, wegen der weiteren Voraussetzungen ist dagegen zu unterscheiden:
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Auch die "normale" Rente wird nur auf Antrag bezahlt. Verstirbt der Rentenberechtigte, bevor er überhaupt einen Rentenantrag stellt, entfällt nach § 59 SGB I sein Renten- und damit auch der Grundrentenanspruch. |
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Verstirbt der Berechtigte, nachdem er einen Antrag gestellt hat, aber bevor dieser beschieden wurde, war ein Verwaltungsverfahren über den Anspruch anhängig, so dass der Anspruch (auch) auf die Grundrente vererbt werden kann. Die "Grundrente" begründet nämlich keinen eigenständigen Rentenanspruch, sondern ist nach § 76g SGB VI als Entgeltpunktzuschlag ausgestaltet, der sich automatisch bei der Berechnung der "normalen Rente" auswirkt. |
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Liegt dagegen schon ein Rentenbescheid vor, so ist der Anspruch nur dann i.S.v. § 59 SGB I festgestellt, wenn der Bescheid (ausnahmsweise) den Rentenanspruch nur dem Grunde nach feststellt. |
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Liegt dagegen – wie regelmäßig – ein bezifferter Rentenbescheid (über die alte Rentenhöhe) vor, ist der Anspruch auch nur in dieser Höhe festgestellt. |
Die Vererblichkeit des Nachzahlungsanspruchs ist daher nur gegeben, wenn schon ein Verwaltungsverfahren über den Anspruch anhängig ist, d.h. der Anspruch zumindest verwaltungsintern bearbeitet wurde. Dies ist unproblematisch der Fall, sobald der Berechtigte einen Antrag gestellt hätte. Ein solcher ist indessen wie erläutert weder notwendig, noch erwünscht. In die Prüfung des Einzelfalls wird der Rentenversicherungsträger dagegen erst jeweils kurz vor der Bescheidung eintreten. Fraglich und in Literatur und Rechtsprechung bisher nicht diskutiert, ist daher, ob allgemeine Vorbereitungsarbeiten zur Einzelfallbearbeitung zu einer Anhängigkeit des einzelnen Verfahrens i.S.v. § 59 SGB I führen. Dies ist jedenfalls vorliegend zu bejahen, da eine etwaig fehlende Einzelfallbefassung nach Angaben des Rentenversicherungsträger nur auf die Gesamtzahl der zu prüfenden Berechtigten zurückzuführen ist, die eine technisches (Software) und administrativ aufwändige Umsetzung erfordern ("Die Arbeiten laufen auf Hochtouren", s.o.).
Auch unter dem ...