Dass es ein weithin unbeachtet gebliebener (zudem bloßer Hinweis-) Beschluss des OLG Koblenz in unsere TOP 10 geschafft hat, mag auf den ersten Blick überraschen. Diese überaus lesenswerte Entscheidung verdeutlicht aber weit über den konkreten Fall hinaus einen häufig in der Praxis etwas unterschätzten Aspekt bei der Gestaltung von Übertragungen – und erinnert noch einmal an die besondere Bedeutung der individuellen Beratung und Gestaltung derartiger Verträge.
a) Die Entscheidung
Die spätere Erblasserin hatte ihr Haus verkauft und den Verkaufserlös der Tochter und späteren Erbin zugewendet. Zugleich trafen die beiden eine schriftliche Vereinbarung, dass die Zuwendung unter Anrechnung auf Pflege/Betreuungsleistungen erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt kümmerte sich die Tochter bereits umfangreich um die Mutter und verrichtete alltägliche Arbeiten wie Erledigungen der Einkäufe, Versorgung mit Mittagessen, Waschen der Wäsche, wöchentliche Besuche etc. Später wechselte die Mutter ins Pflegeheim.
Die enterbte weitere Tochter machte nach dem Tod der Mutter Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen ihre Schwester geltend.
Nach dem OLG Koblenz komme es hinsichtlich der Verknüpfung zwischen der Zuwendung des Verkaufserlöses und der erbrachten (Dienst-) Leistungen entscheidend auf den subjektiven Willen der Vertragsparteien, hier der späteren Erblasserin und der späteren Erbin, an. Wenn hiernach die zwischen Schenker und Beschenkten vereinbarten Leistungen für den Schenker einen bestimmten Wert besäßen, müsse diese Bewertung grds. auch vom Rechtsverkehr anerkannt werden (sog. subjektive Äquivalenz); eine Grenze bestehe erst bei Willkür, also insb. im Fall eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleitung oder wenn dies zu einer Aushöhlung des Pflichtteilsrechts führe. Der Schenkerin sei es vorliegend vor allem darauf angekommen, dass sie aufgrund der sozialen Verrichtungen ihrer Tochter kein sozial isoliertes Leben im Alter im Pflegeheim verbringen müsse. Die hierdurch vermittelten sozialen Kontakte seien für sie erkennbar von besonderer Bedeutung gewesen – sowohl bei ihr zuhause als auch im Pflegeheim; es liege damit auch eine hinreichende Verbindung zwischen der Zuwendung und der erbrachten Dienstleistungen vor.
Das LG habe unter Würdigung aller Umstände und unter Einbeziehung des Parteiwillens in nicht zu beanstandender Weise den Wert der erbrachten Dienstleistungen durch Schätzung i.H.v. 1.000 EUR/Monat ermittelt und anerkannt, § 287 ZPO.
Bei der Berechnung der gemischten Schenkung sei der monatliche Wert der zu erbringenden Leistung mit der allgemeinen Lebenserwartung der Beschenkten im Zeitpunkt der Überlassung zu multiplizieren und um den von § 14 Abs. 1 BewG vorgesehenen Abzinsungsfaktor von 5,5 % zu reduzieren.
b) Folgerungen für die Praxis
Es wird in der Praxis sicherlich des Öfteren ein Konsens zwischen Schenker und Beschenktem bestehen, dass der Beschenkte den Schenkenden durch Besuche und gemeinsame Unternehmungen die Eintönigkeit eines Heimaufenthalts und/oder der allein bewohnten Wohnung unterbricht und die sozialen Kontakte des Schenkers pflegt bzw. einbezieht. Entsprechend den Ausführungen des OLG Koblenz kann dies nun entsprechend als wertmindernde Gegenleistung anzusetzen sein.
Die Entscheidung erinnert damit noch einmal daran, dass in Fällen der Beurkundung eines Übertragungsvertrags stets besonderes Augenmerk zu legen ist auf die Motive der Beteiligten, die es aus der oftmals bestehenden "Motivwolke" herauszufiltern gilt. Es handelt sich insoweit (wie im Erbrecht regelmäßig) jeweils um individuelle Gestaltungen, die neben den allgemeinen Aspekten – wie dem enumerativen Rückforderungsrecht – stets auch motivbezogene unterschiedliche Regelungsinhalte und -tiefen besitzen. Bei einer Schenkung zum Zweck der Verhinderung des Zugriffs des Sozialhilfeträgers ist etwa besonderes Augenmerk auf die Zehnjahresfrist des § 519 BGB, die Vereinbarung praxistauglicher Wegzugklauseln und die Perpetuierung etwaiger Gegenleistungen zu legen. Wollen die Beteiligten Erbschaftsteuer sparen, gilt es zunächst (ggf. unter Hinzunahme eines Steuerberaters) zu prüfen, ob’durch die Schenkung im Vergleich zur Vererbung tatsächlich eine steuerliche Besserstellung eintritt. Bejahendenfalls stellt die Vereinbarung eines Nießbrauchs hier fraglos ein taugliches Gestaltungsmittel dar. Anders ist dies bekanntermaßen, wenn die Schenkung erfolgen soll, um den Nachlass gegenüber enterbten Pflichtteilsberechtigten zu mindern (§ 2325 BGB). Sollte dies das maßgebliche Motiv sein, ist auch hinsichtlich des vorbehaltenen Wohnungsrechts Vorsicht geboten. Ein viertes typisches Motiv wiederum stellen die "böswilligen Schenkungen" des überlebenden Ehegatten dar, die eine bindende Erbeinsetzung (zumeist der Kinder) in einem Erbvertrag bzw. einem gemeinschaftlichen...