Die Gestaltung des Supervermächtnisses in Form eines Wahl-, Bestimmungs- und Zweckvermächtnisses gehört heutzutage zum klassischen Kanon bei der Testamentserrichtung. Häufig wird diese Gestaltung gewählt, um bei einem Berliner Testament die erbschaftsteuerlichen Freibeträge der Abkömmlinge nach dem erstversterbenden Elternteil nicht ungenutzt zu lassen und eine Konzentration des Ehegattenvermögens in den Händen des Längerlebenden zu vermeiden. Dieser Zweck ist in Mustern auch ausdrücklich als solcher mitbenannt (vgl. Beckervordersandfort/Bock, ZErb 2020, 81–84, 117–121; Hartmann, RNotZ 2022, 469–520).
Neben dem Wunsch der erbschaftsteuerrechtlichen Optimierung der Vermögensnachfolge bleibt jedoch ein Aspekt in der Diskussion um das Supervermächtnis bisher weitestgehend unbeachtet. Das Supervermächtnis ist eine anerkannte und zulässige Kombination aus den Vermächtnisarten der § 2151 BGB (Auswahl zwischen mehreren Bedachten) und § 2153 BGB (Bestimmung der Anteile mehrerer Bedachter) einerseits und § 2156 BGB (Zweckvermächtnis) andererseits. Es handelt sich unstreitig um ein vom Erstversterbenden angeordnetes Vermächtnis, mit welchem der Längerlebende beschwert ist. Sämtliche Vermögenswerte, die der Längerlebende in Erfüllung des Supervermächtnisses auf die Begünstigten überträgt, werden erbschaftsteuerrechtlich und zivilrechtlich so behandelt, als ob sie unmittelbar vom Erstversterbenden stammen. Dies hat zur Folge, dass es sich bei den übertragenen Vermögensgegenständen unter keinen Umständen um eine Schenkung des Längerlebenden an die Begünstigten handelt, sodass hinsichtlich der Erfüllung der übertragenen Vermögenswerte die Regelungen des § 528 BGB (Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers) nicht zur Anwendung gelangen. Geht man mit Sammet (Vertragsformulare PREMIUM, Form. 8.2.13.1 Anm. 1–10, beck-online) und Keim (ZEV 2016, 6) davon aus, dass der Zeitpunkt der Ausübung des Bestimmungsrechts und der Erfüllung entweder im Testament in das billige Ermessen des Längerlebenden oder aber auf den Zeitpunkt "spätestens ein Jahr vor Ablauf des statistisch zu erwartenden Todeszeitpunkts des Überlebenden" gelegt werden kann, so würde dies dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit eröffnen, angesichts seiner drohenden Pflegebedürftigkeit das noch vorhandene ererbte Vermögen des Erstversterbenden auf die Begünstigten zu übertragen und sie somit der sozialrechtlichen Verwertung zu entziehen. Auch wenn dies nur einen Nebenaspekt zu dem eigentlichen Zweck des Supervermächtnisses darstellen dürfte, so darf er in der Beratung und Gestaltung nicht außer Acht gelassen werden. Das Supervermächtnis ist vor diesem Hintergrund auch für Menschen mit "durchschnittlichem Vermögen" eine über die rein steuerrechtliche Betrachtung hinaus sinnvolle Gestaltung und sollte daher regelmäßig Eingang in die Gestaltung des Berliner Testaments finden. Gleichzeitig sollte jedoch auch Vorsorge dafür getroffen werden, dass der Überlebende aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, das Bestimmungsrecht durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung auszuüben, da andernfalls der Zweck des Supervermächtnis schon aus tatsächlichen Gründen nicht erreicht werden kann.
ZErb 4/2023, S. I