Die Verfasserin hatte im Oktober 2022 auf der Sozialrechtlichen Jahresarbeitstagung in Wien in einem Vortrag zum Nachrang- bzw. Subsidiaritätsgrundsatz die unterschiedliche Behandlung von Zuflüssen aus Erbfall und Schenkung in Unkenntnis dessen, was wenige Wochen später vom Gesetzgeber dazu kommen würde, kritisiert. Ein Staat, der seine Feindifferenzierung gleicher Lebenssachverhalte nur noch mit der Behauptung struktureller Unterschiede zwischen den Leistungsgesetzen rechtfertigt, ist in der Gefahr, seine Akzeptanz zu verlieren. Im Erbrecht kommt hinzu, dass das Erbrecht auf eine möglichst gleichbleibende, verlässliche Rechtslage angewiesen ist, um dem Erblasser Sicherheit für seine erbrechtliche Gestaltung zu geben. Eine alljährliche Änderung der Rechtslage ist für die Gestaltungssicherheit und die Akzeptanz der Behandlung von Zuflüssen aus Erbfall und Schenkung untunlich.
Die Verfasserin hatte deshalb vorgeschlagen, solche Zuflüsse aus Erbfall und ggf. auch aus Schenkung in nachrangig ausgestalteten Sozialleistungsgesetzen, soweit es geht, einheitlich zu regeln, um damit auch möglichst eine sichere Gestaltungsgrundlage für Bedürftigen – und Behindertentestamente zu bekommen. Dazu wurde § 2 Nr. 26 der Ausgleichsrentenverordnung als mögliche "Blaupause" in den Blick genommen.
Die Ausgleichsrente des § 33 BVG ist eine Rente, bei der – wie sonst in Leistungsgesetzen des sozialen Nachteilsausgleichs – Einkommen berücksichtigt wird und die volle Ausgleichsrente mindert. Wie bisher in § 82 SGB XII werden als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle und Rechtsnatur berücksichtigt, soweit nicht das BVG, die VO oder andere Rechtsvorschriften vorschreiben, dass bestimmte Einkünfte bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben.
Das geschieht für Erbschaften und sonstige einmalige Zuflüsse durch § 2 Nr. 26 Ausgleichsrentenverordnung, wonach vereinzelt vorkommende Einkünfte, soweit sie nicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts bestimmt sind oder an die Stelle einer zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmten Leistung treten, mit Ausnahme der daraus erzielten regelmäßig wiederkehrenden Einkünfte nicht berücksichtigt werden.
Der Gesetzgeber des Bürgergeldes hat einen solchen Weg nicht gewählt, sondern mit seiner Neuregelung ausschließlich von Erbschaften die Differenzierung von Zuflüssen aus Erbfall auf die Spitze getrieben und die Situation dadurch verschlimmbessert.
Der Normgeber der Ausgleichsrenten-VO hat in der Vergangenheit zutreffend erkannt, dass nicht die Qualität als Erbschaft das eigentlich Bedeutsame im sozialrechtlichen Leistungstatbestand ist, sondern seine Eigenschaft als vereinzelt vorkommender, besonderer Zufluss. Er hat damit ein Problem umschifft, dass der Gesetzgeber des Bürgergeldgesetzes in der Eile des Gesetzgebungsprozesses schlicht übersehen haben dürfte; nämlich, dass aufgrund Erbfalls nicht zwingend Erbschaften entstehen, sondern Zuflüsse, z.B. auch aus Vermächtnis, Pflichtteils- Pflichtteilsrest- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen, stammen können. Auch kann sich ein potenzieller Erblasser zu vorweggenommener Erbfolge entschließen, sodass auch eine Schenkung erbrechtlich motiviert sein könnte.