Leitsatz

Ein Zuwendungsverzicht kann (ebenso wie der Erbverzicht) durch notariellen Vertrag mit dem Erblasser wieder aufgehoben werden, wenn der Erblasser den Rechtszustand vor dem Verzicht durch Verfügung von Todes wegen nicht vollständig wiederherstellen könnte.

BGH, Urteil vom 20. Februar 2008 – IV ZR 32/06

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Erbfolge nach der am 4. März 1998 in H., ihrem letzten Wohnsitz, verstorbenen Großmutter des Klägers. (...)

Am 5. Oktober 1979 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann vor dem in H. als Notar ansässigen Beklagten zu 2 ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten, dass die gemeinsame Tochter alleinige Erbin des zuletzt Versterbenden sein sollte. Nach deren Tod sollte der dann noch vorhandene Nachlass auf den am 28. Januar 1960 geborenen Kläger übergehen, ersatzweise an dessen Abkömmlinge, weiter ersatzweise an dessen am 26. April 1962 und am 3. Juni 1968 geborene jüngere Brüder, die Beklagten zu 1 a und 1 b. Diese Regelung sollte im Fall eines Vorversterbens der Tochter entsprechend gelten. Der Kläger wurde im Wege eines Vermächtnisses verpflichtet, seinen Brüdern einen monatlichen Betrag aus den Erträgen des Hauses in H. zu zahlen.

Die Mutter des Klägers verzichtete in notarieller Urkunde vom 30. Juni 1994 auf die Zuwendung aus dem notariellen Testament vom 5. Oktober 1979 sowie auf ihre gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche am Nachlass ihrer Eltern. Die Erblasserin nahm diesen Verzicht an; der Kläger stimmte ihm zu und verpflichtete sich, nach dem Tod der Erblasserin an seine Mutter eine lebenslange monatliche Rente von 20.000 DM zu zahlen, die auf dem Hausgrundstück in H. grundbuchlich abzusichern war. Die Erblasserin ließ sich zu diesem Vertrag durch den Hinweis ihrer Tochter sowie des Klägers bewegen, der damalige Ehemann der Tochter dürfe im Fall einer Scheidung keinen Zugriff auf das Haus in H. erhalten. Bereits am 24. März 1995 erklärten die Erblasserin und ihre Tochter ohne Mitwirkung oder Wissen des Klägers zu notariellem Protokoll des Beklagten zu 2 die Aufhebung des Verzichtsvertrages vom 30. Juni 1994 mit der Maßgabe, dass die Erbfolge nach dem Testament vom 5. Oktober 1979 wiederhergestellt werde. (...)

Dagegen wenden sich der Kläger mit der Revision und die Beklagten mit ihren Anschlussrevisionen. Sie verfolgen mit ihren Rechtsmitteln insoweit ihre Schlussanträge zweiter Instanz weiter.

Aus den Gründen

Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

Was zunächst die Erbfolge angeht, ist nicht streitig, dass sie sich aufgrund Rückverweisung für zum Nachlass gehörende Mobilien auf das Wohnsitzrecht und für Immobilien auf das Belegenheitsrecht insgesamt nach deutschem Recht beurteilt (vgl. Odersky ZEV 2000, 492).

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger nicht aufgrund des Zuwendungsverzichtsvertrages vom 30. Juni 1994 bereits mit dem Tod der Erblasserin deren Vollerbe geworden. Denn dieser Vertrag sei durch den Vertrag vom 24. März 1995 wirksam wieder aufgehoben worden. Der Wortlaut des § 2352 BGB und die Gesetzessystematik sprächen nicht gegen eine analoge Anwendung von § 2351 BGB. Die Aufhebung des Zuwendungsverzichts bewirke hier, dass dieser so beseitigt werde, als wäre er nie vereinbart worden. Die Erblasserin werde also nicht von ihren Bindungen aus dem wechselbezüglichen gemeinschaftlichen Testament frei. Dass der Kläger die durch den Zuwendungsverzicht für ihn begründete Aussicht, als Ersatzerbe seiner Mutter Vollerbe nach dem zuletzt versterbenden Großelternteil zu werden, wieder verliere, stehe nicht entgegen. Diese Aussicht sei für die Erblasserin – anders als ein etwa nach dem Zuwendungsverzicht abgeschlossener Erbvertrag – nicht bindend gewesen.

Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision des Klägers greifen nicht durch.

Nach ganz herrschender Meinung kann der Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) grundsätzlich ebenso wie der Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht (§ 2346 BGB) durch Vertrag mit dem Erblasser wieder aufgehoben werden (vgl. etwa LG Kempten MittBayNot 1978, 63, 64; Staudinger/Schotten, BGB [2004] § 2352 Rn 54; Soergel/Damrau, BGB 13. Aufl. § 2352 Rn 2; Bamberger/Roth/J. Mayer, BGB § 2352 Rn 27; MüKo-BGB/Strobel, 4. Aufl. § 2352 Rn 17; AnwK-BGB/Beck/Ullrich, § 2352 Rn 20; Palandt/Edenhofer, BGB 67. Aufl. § 2352 Rn 5; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 7 III 2 a S. 180; im Ergebnis auch Mittenzwei ZEV 2004, 488 ff; aA Kipp/Coing, Erbrecht 14. Aufl. § 82 V 2; Kornexl, Der Zuwendungsverzicht 1998 Rn 554 ff).

Zwar verweist § 2352 Satz 3 BGB für den Zuwendungsverzicht lediglich auf die in den §§ 2347 und 2348 BGB für den Erbverzicht geforderten persönlichen Anforderungen und Formvorschriften, nicht aber auf die in § 2351 BGB geregelte Aufhebung des Erbverzichts. Das steht jedenfalls einer analogen Anwendung des § 2351 BGB aber nicht entgegen, soweit die Interessenlage übereinstimmt. Anders als bei einem Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht kann der Erblasser bei einem Zuwendung...

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