Leitsatz
1. Eine von einer im Testament grundsätzlich vorgesehenen Quotierung abweichende Zuweisung von bestimmten Nachlassgegenständen ist als Vorausvermächtnis anzusehen, soweit sie – vom Erblasser gewollt – über den Inhalt einer Teilungserklärung hinausgeht. Lediglich bei einer "reinen" Teilungsanordnung besteht eine anderweitige Ausgleichpflicht.
2. Überdies sind Erblasser auch befugt, in einem Testament für die Erbauseinandersetzung bindend den Wert eines zum Ausgleich herangezogenen Gegenstands festzulegen.
OLG Frankfurt, Urteil vom 5. Oktober 2007 – 3 U 272/06
Sachverhalt
I. Der Kläger nimmt den Beklagten als Miterben auf Ausgleich des hälftigen Wertes (...) für das diesem durch gemeinsames Testament der Eltern vom 5.6.1970 zugewendete Hausgrundstück in Anspruch. (...)
Ergänzend wird zunächst der Wortlaut des handschriftlichen Testaments der Eltern der Parteien vom 16.1.1969 festgehalten:
Zitat
"Wir, die Eheleute E 1 und E 2, geborene A, setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Erben des Überlebenden sollen unsere beiden Söhne, bzw. deren leiblichen Abkommen zu gleichen Teilen sein. Der Überlebende von uns soll in der Verfügung frei sein."
Das weitere dem vorausgegangenen Rechtsstreit zugrunde liegende und rechtskräftig als echt festgestellte Testament der Eltern der Parteien vom 5.6.1970 lautet wie folgt:
Zitat
Wir, die unterzeichneten Eheleute E 1 und Frau E 2, geborene A setzen uns gegenseitig zu Erben ein. Nach dem Tode des letztversterbenden Ehegatten sollen unsere beiden Söhne B und C erben. C erhält das zur Zeit von uns bewohnte und im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellte Haus S 1, O 1 samt Hausrat und übernimmt bei Eintritt des Erbfalls die eventuell noch auf dem Haus ruhenden hypothekarischen Schulden. Dabei ist die unentgeltliche, jahrelange Mithilfe unseres Sohnes C und dessen Ehefrau in besonderen, dringenden und notwendigen Fällen berücksichtigt (Hausmeister- und Hausverwaltungsarbeiten, Wegereinigung, besonders die Beseitigung von Schnee und Eis im Winter, Mithilfe im Haushalt in Krankheits- und Pflegefällen).
Demgegenüber ist Sohn B durch unsere finanzielle Hilfe beim Erwerb eines Einfamilienhauses etwa gleichwertig berücksichtigt worden. Das ihm zinslos überlassene Darlehen soll mit Eintritt des Erbfalls als Erbe gelten.
Alle darüber hinaus dann noch vorhandenen Vermögenswerte sollen nach Regelung aller Nachlassverbindlichkeiten (Bestattungskosten etc.) an beide Erben zu gleichen Teilen verteilt werden. Sollte einer von ihnen unseren gemeinsamen Willen nicht anerkennen so ist er auf den Pflichtteil zu beschränken.
Diese letztwilligen Verfügungen sind zeitlich wie folgt einzuordnen:
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16.1.1969 gemeinsames Testament der Eltern mit wechselseitiger Erbeinsetzung als befreite Vorerben und Einsetzung der Parteien als Nacherben zu je 1/2 |
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14.3.1969 Kauf des Anwesens S2 in O1 durch den Kläger unter Verwendung eines zinslosen Darlehens der Eltern |
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25.6.1969 Zeitpunkt, bis zu dem die fünf Darlehensquittungen entstanden, deren Echtheit streitig ist |
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20.6.1969 Besitzübergabe und Bezahlung des Anwesens S2 |
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5.6.1970 Aufhebung des Testaments vom 16.1.69 durch Errichtung des gemeinsamen Testaments vom 5.6.70 |
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29.10.1971 Tod des Vaters im 76. Lebensjahr |
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10.11.1971 Eröffnung des Testaments vom 16.1.1969 |
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16.5.1993 Tod der Mutter im 97. Lebensjahr. |
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8.6.1993 Eröffnung des Testaments vom 5.6.1970 und vom 16.1.69. |
Unter Berufung auf das Testament vom 5.6.1970 hat der Beklagte den Kläger in dem vorausgegangenen Rechtsstreit auf Abgabe der Auflassungserklärung des ihm zugewendeten Hausgrundstücks in Anspruch genommen. Der Kläger hat die Fälschung des Testaments eingewandt. Das LG Frankfurt hat der Klage stattgegeben, die Berufung dagegen (Urteil vom 22.5.2003 zu 16 U 25/02) und Nichtzulassungsbeschwerde (Beschluss vom 19.5.2004 zu IV ZR 157/03) blieben erfolglos.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ihm stehe ein Wertausgleich in Höhe des hälftigen Wertes des Hausgrundstücks (...) zu, weil entgegen der Angabe im Testament der Eltern ihm ein zinsloses Darlehen nicht gewährt worden sei.
Der Beklagte hat verschiedene von dem Kläger unterschriebene Quittungen über von den Eltern erhaltende Zahlungen in Höhe von insgesamt 130.000 DM vorgelegt, gegen die der Kläger (erneut) den Einwand der Fälschung erhoben hat.
Das LG hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 6.9.2005 zur Echtheit der vorgelegten Quittungen/Unterschriften sowie eines Ergänzungsgutachtens vom 6.6.2006 Beweis erhoben und der Klage durch Urteil vom 13.10.2006 mit der Begründung stattgegeben, der Beklagte habe den ihm obliegenden Nachweis der Echtheit der Quittungen nicht geführt, weil der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die auf den Quittungen enthaltenen Unterschriften mit leicht überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht von dem Urheber der zum Vergleich eingereichten Schriftproben stammten.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Der Beklagte rügt zunächst, ent...