1. Ausgangsbasis
Ein Rückblick gibt Anhalt. Die Wurzeln bisheriger Lösungsversuche reichen weit zurück. Gespiegelt wird der Konflikt zwischen Erbrecht und Gesellschaftsrecht. Vor allem das Reichsgericht stellte die Gesellschafterfolge von Todes wegen außerhalb des Erbrechts. Es fixierte dafür eine – rezeptionsgeschichtlich bis heute fortwirkende – Übertragung (sog. Legalsukzession) kraft Handelsrecht. Das ist abwegig: Erbrecht ist bürgerliches Recht, kein Handels- oder Gesellschaftsrecht. Das muss hier beim Erbgang beachtet werden.
Seit dem Reichsgericht hat sich aber ein Meinungsbild entwickelt, das im Kern das Handels- und Gesellschaftsrecht reflektiert. Zwar wird allgemein nicht gesagt, die erbrechtliche Haftung für Gesellschaftsschulden sei nach gesellschaftsrechtlichem Muster umzuformen. Vordergründig gilt ein "Nebeneinander" erbrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Haftung, betont im Sinne der genannten "doppelten Haftung".
Das zementiert die Konfliktlage des Kommanditisten-Erben: Entweder er akzeptiert die vom Erblasser stammende gesellschaftsrechtliche Haftungslage oder er muss das Erbe insgesamt ausschlagen. Im Ergebnis beherrscht mit diesem Sachzwang das Gesellschaftsrecht das Erbrecht. Das widerspricht den Rechtsgrundlagen.
2. Erbrechtlich vermittelte Unternehmensbeteiligung
Zum Einklang müssen wir das Blickfeld erweitern. Dazu schlage ich vor, die Haftungslage bei Kommanditisten-Erben im Sinne einer erbrechtlich vermittelten Unternehmensbeteiligung zu lösen. Dafür ist zunächst die herrschende Vorstellung "doppelter Haftung" zu entzaubern: Durch Gesamtschau und Abstimmung der haftungsgesetzlichen Wertungen im Erb- und Handelsrecht.
3. "Gläubigerschutz" und Ausschlagungsrecht
Die These "doppelter Haftung" firmiert gemeinhin unter dem Schlagwort "Gläubigerschutz". Damit suggeriert der gesellschaftsrechtliche Ansatz, die Gläubiger der Kommanditgesellschaft würden beim Tod eines Gesellschafters geschützt, indem die Erben von Rechts wegen in dessen gesellschaftsrechtliche Haftposition rücken. Der im Grunde erbrechtliche Vorgang wird so dem rechtsgeschäftlichen "Eintritt" in eine Gesellschaft gleichgestellt.
Verkannt wird, dass jeder Erbe das Ausschlagungsrecht hat (§§ 1942 ff BGB). Danach können Erben in der sechswöchigen Ausschlagungsfrist nicht in Anspruch genommen werden (§ 1958 BGB). Selbst dann nicht, wenn der Erblasser seine Einlage nicht voll geleistet hatte. Vor allem gilt: Jeder Erbe kann sich durch Ausschlagung der Erbschaft dem Haftungszugriff völlig entziehen, auch der gesellschaftsrechtlichen Haftung.
Mit dieser Notbremse sitzt der Kommanditisten-Erbe am längeren Hebel, während die Nachlass- und Gesellschaftsgläubiger schwache Positionen haben. Sie mussten mit der Endlichkeit der Erblasserposition rechnen. Sie können gegen den Willen des Erben nichts von diesem gewinnen; insbesondere nicht mit Blick auf dessen Mitwirkung bei der Unternehmensfortführung (s. noch aE: "Auf einen Blick").
Damit liegt das gesetzliche Fundament klar: Das Erbrecht überlagert das Gesellschaftsrecht. Erbrecht will dem Erben die Rechte und Pflichten des Erblassers nicht aufzwingen; auch nicht die erbrechtlich vermittelte Kommanditistenstellung. Der Erbe soll frei über die Annahme der Erbschaft mit ihren Vor- und Nachteilen entscheiden können.
4. Freiheitsverfassung
Das ist im Grunde keine Besonderheit des Erbrechts, sondern ein Rechtsgrundsatz unserer Verfassung der Freiheit. Er trägt auch das Gesellschaftsrecht. Ein Unternehmen in einer bestimmten Rechtsform zu betreiben, das ist die freie Entscheidung der Gesellschafter. Bei der Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs. 1 HGB) kann in der Beteiligungsform zwischen der Position als Komplementär mit unbeschränkter Haftung und der Stellung als Kommanditist mit beschränkter Haftung gewählt werden.
Das ist Ausdruck kulturhistorischer Entwicklung im Sinne praktischer Vernunft. Menschen sind jeweils nur in einem bestimmten Maß bereit und in der Lage, unternehmerische Risiken zu tragen. Die Rechtsordnung hat den Rahmen vorzuhalten, der angemessene Entscheidungsfreiheit gewährt. Das hat der Bundesgerichtshof bereits im Grunde ...