1. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen des Gesetzgebungsverfahrens sind für Praktiker des Erbrechts meist nur am Rande von Interesse. Dies gilt umso mehr, wenn die betroffenen Gesetze keinen Bezug zu Fragen der Nachfolgeplanung aufweisen. Eine Ausnahme gilt allerdings für den vorstehenden Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerrichts zur formellen Verfassungsmäßigkeit einer Regelung des Umwandlungsteuerrechts, in dem die verfassungsrechtlichen Grenzen für Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses aufgezeigt worden sind. Genau um diese Frage geht es nämlich auch bei der Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, mit dem die Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit Wirkung zum 1.1.2004 eingeschränkt worden sind (Reduzierung des Freibetrages nach § 13 a Abs. 1 ErbStG von 256.000 EUR auf 225.000 EUR, Herabsetzung des Bewertungsabschlags nach § 13 a Abs. 2 ErbStG von 40 % auf 35 % und Begrenzung der Tarifermäßigung nach § 19 a ErbStG auf 88 %).
2. Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens (Vorlagebeschluss des BFH vom 18.7.2001, I R 38/99, BStBl II 2002, 27) hatte das Bundesverfassungsgericht über die Frage zu entscheiden, ob die Aufhebung von § 12 Abs. 2 Satz 4 des Umwandlungsteuergesetzes (betreffend die Verlustnutzung im Rahmen eines Unternehmenskaufs nach dem Kombinationsmodell) durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29.10.1997 (BGBl I 1997, 2950) in – formell – verfassungsmäßiger Weise zustande gekommen ist. In den ursprünglichen Gesetzesentwürfen war diese Änderung nicht vorgesehen. Sie ist vielmehr erstmals im Rahmen des Vermittlungsverfahrens in das Gesetz aufgenommen worden (siehe dazu im Einzelnen BVerfG, aaO, Rn 15 ff). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 15.1.2008 deutlich gemacht, dass der Vermittlungsausschuss damit seine verfassungsrechtlichen Kompetenzgrenzen überschritten hat (BVerfG, aaO, Rn 57 ff). Die Kompetenz des Vermittlungsausschusses beschränke sich darauf, mit seinem Beschlussvorschlag eine "Brücke" zwischen den Regelungsalternativen vorzuschlagen, die bereits zuvor in den Gesetzgebungsorganen erörtert worden bzw. zumindest erkennbar geworden sind. Der Vermittlungsausschuss darf aber mit seinem Vorschlag kein Gesetzesintiativrecht beanspruchen, da ein solches ausschließlich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zustehe. Der Vermittlungsvorschlag darf auch nicht dazu führen, dass das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren verkürzt oder der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen wird. Im vorliegenden Fall verstößt das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform gegen das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG), das Prinzip der Öffentlichkeit der parlamentarischen Debatte (Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG) und die Rechte der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) (siehe im Einzelnen BVerfG, aaO, Rn 63 ff).
3. a) Diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur formellen Verfassungswidrigkeit des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform lassen sich vollständig auf das Haushaltsbegleitgesetz 2004 (BGBl I 2003, 3076, berichtigt BGBl I 2004, 69 = BStBl I 2004, 120) übertragen.
b) Die Bundesregierung hat am 15.8.2003 den Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vorgelegt, in dem keinerlei Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes vorgesehen waren (BR-Drks. 652/03 = BT-Drks. 15/1502). Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzesentwurf in seiner Sitzung am 9.9.2003 in erster Lesung behandelt und zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung vom 15.10.2003 über den Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 beraten und sich mehrheitlich für die Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf ausgesprochen (BT-Drks. 15/1750 und BT-Drks. 15/1751). In der Ausschusssitzung haben u. a. die Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück ihre Vorschläge zum Abbau von Steuervergünstigungen und Finanzhilfen vorgelegt. Diese sind vom Haushaltsausschuss jedoch nicht aufgegriffen worden und sind weder in der Beschlussempfehlung noch im Bericht des Haushaltsausschusses erwähnt. Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Haushaltsauschusses hat der Deutsche Bundestag am 17.10.2003 über den Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 in zweiter und dritter Lesung beraten und diesen angenommen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7.11.2003 beschlossen, zu dem vom Bundestag beschlossenen Haushaltsbegleitgesetz 2004 den Vermittlungsausschuss einzuberufen (BR-Drks 729/03 = BT-Drks. 15/1992). Der Anrufungsantrag hatte das Ziel, "1. das Gesetz grundlegend zu überarbeiten und 2. die Vorschläge der Ministerpräsidenten Roland Koch und Peer Steinbrück zum Abbau von Steuervergünstigungen und Finanzhilfen einzubeziehen, die in den Sitzungen des Haushaltsausschusses und des Finanzausschusses am 15. Oktober 2003 vorgelegt wurden". Die erwähnten Vorschläge wurden dem Antrag jedoch nicht beigefügt. In der Sitzung d...