Der Große Senat des BFH schließt sich der Auffassung des XI. Senats an und verneint die vorgelegte erste Rechtsfrage. Entgegen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH kann der Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrags nach § 10 d EStG auf den Erben weder auf zivilrechtliche noch auf steuerrechtliche Vorschriften und Prinzipien gestützt werden.
I. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts. Es erstreckt sich vielmehr auch auf das öffentliche Recht und damit auch auf das Steuerrecht. So ordnet § 45 Abs. 1 Satz 1 AO an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge "die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über(gehen)".
1. Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO leitet der BFH in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintrete (vgl. z. B. Urteile vom 17. Juni 1997 IX R 30/95, BFHE 183, 470, BStBl II 1997, 802, unter 2.; vom 20. März 2002 II R 53/99, BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441, unter II. 1. a).
2. Der Große Senat des BFH kann im vorliegenden Verfahren offen lassen, ob die von Teilen der Literatur (vgl. z. B. Ruppe, DStJG 10 (1987), S. 45, 55) geäußerte Kritik an dieser vom BFH und von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. z. B. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 45 Rn 1) befürworteten weiten Auslegung des § 45 AO berechtigt ist. Denn im Kern besteht zwischen den Vertretern einer weiten und einer engen Interpretation des § 45 AO Einigkeit darüber, dass jedenfalls höchstpersönliche Verhältnisse und unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpfte Umstände nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 11. November 1971 V R 111/68, BFHE 103, 453, BStBl II 1972, 80, zu § 8 des Steueranpassungsgesetzes; vom 15. März 2000 X R 130/97, BFHE 191, 360, BStBl II 2001, 530, unter II. 4. a; in BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441, unter II. 1. a; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 45 AO Rn 12, mwN).
Des Weiteren besteht ungeachtet des Meinungsstreits über die Grenzen des sachlichen Anwendungsbereichs von § 45 AO auch Einigkeit darüber, dass die Antwort auf die Frage, ob und in welchem Umfang steuerrechtliche Positionen vererblich sind oder wegen ihres höchstpersönlichen Charakters und ihrer unlösbaren Verknüpfung mit der Person ihres Inhabers nicht auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können, nicht allein durch eine isolierte Auslegung der allgemeinen und für alle Steuerarten geltenden Vorschrift des § 45 AO, sondern nur unter Heranziehung der für die betreffende Rechtsbeziehung einschlägigen materiellrechtlichen Normen und Prinzipien des jeweiligen Einzelsteuergesetzes gefunden werden kann (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441, unter II. 1. a).
II. Bestimmt sich danach die Vererblichkeit steuerrechtlicher Rechtspositionen vorrangig nach den maßgeblichen Regelungen und Grundsätzen des jeweils einschlägigen (Einzel-)Steuergesetzes, so ist die Frage nach dem Übergang des vom Erblasser nicht aufgezehrten Verlustabzugs iSv § 10 d EStG auf seine(n) Erben in erster Linie durch Auslegung dieser Norm sowie unter Heranziehung der das Einkommensteuerrecht beherrschenden Prinzipien zu beantworten.
1. § 10 d EStG ermöglicht unter den dort bezeichneten Voraussetzungen eine interperiodische Verrechnung von Verlusten, die im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung nicht ausgeglichen werden konnten. Auf diese Weise trägt die Regelung – wenn auch nur in begrenztem Maße – zur Milderung der Härten bei, die sich durch die Anwendung des dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegenden Abschnittsprinzips (Periodizitätsprinzip; Jahresprinzip; s. § 25 Abs. 1 EStG) ergeben (vgl. hierzu z. B. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl., S. 758 ff).
2. § 10 d EStG gewährt dem Steuerpflichtigen unter den dort statuierten Voraussetzungen eine subjektiv-öffentliche Berechtigung zum Verlustabzug, d. h. zur Verrechnung der im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte mit den positiven Einkünften vorangegangener (Verlustrücktrag) oder nachfolgender Veranlagungszeiträume (Verlustvortrag). Sieht man vom Verlustrücktrag ab, so hat der Verlustabzug den Rechtscharakter eines aufschiebend, durch die Entstehung künftiger positiver Gesamtbeträge der Einkünfte bedingten Einkommensteuerminderungsanspruchs. Einem solchen potenziellen Verrechnungsanspruch kommt dem Grunde nach ein wirtschaftlicher (Vermögens-)Wert zu.
Allerdings kann nicht schon allein aus der potenziellen Vermöge...