Die Freude über den Schlussstrich des Großen Senats unter die in den letzten Jahren neu aufgeflammte Debatte zur Vererblichkeit des Verlustabzugs wird erheblich durch die für den Steuerpflichtigen ungünstige Lösung des Großen Senats getrübt. Dies gilt umso mehr, als die Verneinung der Vererblichkeit des Verlustabzugs mE rechtsdogmatisch zweifelhaft bleibt.
Zu begrüßen ist die vom Großen Senat vorgenommene grundsätzliche dogmatische Einordnung der Gesamtrechtsnachfolge im Steuerrecht. Zwar lässt er zunächst offen, ob er an der bisherigen Rechtsprechung des BFH festhält, dass der Erbe trotz des restriktiven Wortlauts des § 45 AO im Erbfall umfassend in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt. Aus der weiteren Begründung des Beschlusses folgt dann aber, dass er die Gesamtrechtsnachfolge im Einkommensteuerrecht umfassend verstanden wissen will und im Ergebnis allein die Höchstpersönlichkeit des Verlustabzugs eine Vererblichkeit ausschließt.
Schon die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge hat einen umfassenden Übergang der Rechtsposition des Erblassers zur Folge. Dies ergibst sich nicht allein aus der einzelnen Bestimmung des § 1922 Abs. 1 BGB, sondern aus dem für den Erbfall geltenden umfassenden Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge. Und dieses Prinzip entfaltet sowohl im allgemeinen Steuerrecht als auch im speziellen Einkommensteuerrecht volle Geltung. Wenn hiergegen eingewandt wird, die Gesamtrechtsnachfolge müsse allein anhand des Steuerrechts selbst beurteilt werden, kann dem allein im Hinblick auf die nähere Ausgestaltung der Gesamtrechtsnachfolge beigepflichtet werden. Es ist diesbezüglich geradezu selbstverständlich, dass die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets Berücksichtigung finden müssen. Dies spricht aber nicht gegen die Aufstellung eines auch im Einkommensteuerrecht gültigen und an § 1922 Abs. 1 BGB angelehnten Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge. Auch die Regelung des § 45 Abs. 1 AO setzt nach gängiger Meinung den Begriff der Gesamtrechtsnachfolge voraus, was zumindest nicht gegen eine Anwendung des in § 1922 Abs. 1 BGB niedergelegten zivilrechtlichen Grundsatzes auch im Steuerrecht spricht.
Die grundsätzliche Nachfolgefähigkeit folgt beim Erbfall also auch im Einkommensteuerrecht aus dem in § 1922 Abs. 1 BGB niedergelegten Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Erst auf diesem Grundsatz aufbauend ist sodann für jede einzelne Steuerrechtsposition die Höchstpersönlichkeit zu untersuchen. Wie sonst im Zivilrecht und auch im Verwaltungsrecht steht die Vererblichkeit unter dem Vorbehalt, dass sich aus dem Gesetz, dem Inhalt oder dem Zweck der in Frage stehenden Rechtsposition nichts anderes ergibt. Dass dieser Vorbehalt bei öffentlich-rechtlichen Positionen und damit auch bei einkommensteuerrechtlichen Positionen häufiger eingreifen wird als im Zivilrecht, vermag nichts an der Gültigkeit des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge zu ändern. Dies stellt vielmehr keine Besonderheit dar, da auch innerhalb der Teilgebiete des Zivilrechts, wie ein Blick auf das Familienrecht zeigt, der Einwand der Höchstpersönlichkeit unterschiedlich häufig anzutreffen ist.
Im Ergebnis macht es auch durchaus einen Unterschied, ob man die Rechtsnachfolgefähigkeit einzelner einkommensteuerlicher Rechtspositionen allein anhand der einschlägigen Norm des EStG beurteilen will oder ob man zunächst ein umfassendes Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge auch im Einkommensteuerecht anerkennt, um anschließend die Ausnahmen von diesem Prinzip anhand der einschlägigen Normen des EStG untersucht. Der sich aus den Artikeln 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, Artikel 20 Abs. 3 GG ergebende und steuerrechtlich in den §§ 3 Abs. 1, 38 AO verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung setzt eine gesetzliche Grundlage nicht nur für belastende, sondern auch für begünstigende Regelungen voraus. Wenn man als Rechtsgrundlage im Einkommensteuerrecht § 1922 BGB und das hierin niedergelegte und von § 45 AO vorausgesetzte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge anerkennt, ist der Verlustabzug vererblich, sofern aus dem Einkommensteuerrecht nicht die Höchstpersönlichkeit des Verlustabzugs folgt. Will man die Nachfolgefähigkeit des Verlustabzugs dagegen allein mithilfe des Einkommensteuerrechts beurteilen, bedürfte es im Einkommensteuerrecht zunächst einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage.
Legt man, wie wohl im Ergebnis auch der Große Senat des BFH, zugrunde, dass im Einkommensteuerecht das Prinzip einer umfassenden Gesamtrechtsnachfolge gilt, bleibt mithilfe des Einkommensteuerrechts allein der höchstpersönliche Charakter des Verlustabzugs zu hinterfragen. Insofern ist dem Großen Senat beizupflichten, wenn er dieser Frage durch Auslegung der entsprechenden Normen des Steuerrechts (insbesondere § 10 d EStG und 45 AO) und unter Heranziehung der das Einkommensteuerrecht beherrschenden Prinzipien nachgeht.
Im Folgenden stützt der Große Senat sein...