Oder: Rechte eines Miterben gegen die anderen Miterben während des Rechtsstreits um den Pflichtteilsanspruch
Einführung
Meist verklagen Pflichtteilsberechtigte alle Miterben als Gesamtschuldner. Ausnahmsweise aber tun sie dies nicht, sondern greifen sich einen der Miterben heraus. Für diesen ist die Lage brenzlich, wenn der Nachlass im Wesentlichen schon aufgeteilt ist. Deshalb möchte dieser Miterbe nicht erst nach seiner eventuellen Verurteilung die Möglichkeit eines Rückgriffs bei den anderen Miterben klären lassen. Kann er dies also schon während seines Rechtsstreits mit dem Pflichtteilsberechtigten tun?
Es ist eine alltägliche Erscheinung, dass die Miterben den Nachlass im Wesentlichen aufteilen, bevor sie alle Pflichtteilsansprüche befriedigt haben. Und nun pickt sich ein Pflichtteilsberechtigter einen Miterben heraus und verlangt nur von diesem als einem Gesamtschuldner (§ 2058 BGB) den Pflichtteil. Dieser Miterbe empfindet es als ungerecht, dass nur er den Pflichtteil bezahlen soll und die anderen Miterben vom Pflichtteilsberechtigten verschont bleiben. Dass er später von den anderen Miterben – eventuell nach weiteren Prozessen – ganz oder jedenfalls teilweise Ersatz verlangen kann, ist ihm, der zahlen soll, ein schwacher Trost, insbesondere, weil er auch das Insolvenzrisiko trägt.
Hätten die Miterben das ihnen meist unbekannte Gesetz, nämlich § 2046 BGB, befolgt und hätten sie zuerst die Nachlassverbindlichkeiten, also hier den Pflichtteilsanspruch, befriedigt oder jedenfalls Rückstellungen dafür vorgenommen, dann wäre es nicht zu der unangenehmen Situation für einen von ihnen gekommen. Denn dann hätte der in Anspruch genommene Miterbe die Einrede der einstweiligen beschränkten Erbenhaftung nach § 2059 BGB erheben können (§ 780 ZPO), sodass der Kläger nicht in das nichtererbte Vermögen des Beklagten hätte vollstrecken können.
1. Ausgangslage
a) Rückgriff nach den Regeln der Gesamtschuld
Hat der vom Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommene Miterbe den Pflichtteilsanspruch befriedigt, dann kann er grundsätzlich entsprechend den Erbquoten (vgl. §§ 2047 Abs. 1, 2038, 748, 426 BGB) bei den anderen Miterben Rückgriff nehmen.
Ausnahmsweise tragen auch nicht alle Miterben die Pflichtteilslast: Wer anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, hat im Verhältnis zu den Miterben untereinander die Pflichtteilslast zu tragen (§ 2320 BGB). Als praktisches Beispiel mag folgender Fall dienen:
Ein Kind des Erblassers wurde durch Verfügung von Todes wegen enterbt (§ 1938 BGB); die Kinder des Enterbten, also die Enkel des Erblassers, sind neben den Geschwistern des Enterbten kraft Gesetzes Miterben. Die Enkel tragen nach § 2320 BGB im Innenverhältnis allein die Pflichtteilslast. Ihr enterbter Elternteil macht aber den Pflichtteil nicht gegen seine Kinder, die Enkel des Erblassers, sondern nur gegen seine Geschwister (Onkel oder Tante der Enkel) geltend. Diese wollen verständlicherweise nicht zahlen, denn ein Laie hat wenig Verständnis dafür, dass er (nach außen) zahlen soll, nur um sich dann später das Geld von anderen (im Innenverhältnis) wiederholen zu müssen und auch noch das Risiko von deren Zahlungsunfähigkeit zu tragen.
b) Streitverkündung und/oder Rückgriffsklage
Im Rechtsstreit wird der beklagte Miterbe im Beispiel den Enkeln den Streit verkünden (§ 72 ZPO), damit diese nicht beim Rückgriff gegen sie nach § 2320 BGB einwenden können, der Rechtsstreit um den Pflichtteil sei falsch entschieden. Noch schöner wäre es aber für den beklagten Miterben, er könnte spätestens in dem Moment, in dem er auf den Pflichtteil verklagt wird, die anderen Miterben (im Beispiel: die Enkel) sogleich auf anteilige Zahlung des Pflichtteils an den Pflichtteilsberechtigten verklagen: Und wenn das wegen der zurzeit noch bestehenden Unsicherheit über die Höhe des Pflichtteils nicht geht, dann möchte der in Anspruch genommene Miterbe wenigstens möglichst frühzeitig einen Titel gegen die Miterben haben, um damit spätestens bei Rechtskraft des gegen ihn gerichteten Urteils auf Zahlung des Pflichtteils sogleich die Miterben in Anspruch nehmen zu können, die die Pflichtteilslast mittragen. Erstrebenswert erscheint es für den verklagten Miterben weiterhin, die Verpflichtung zum Tragen der Pflichtteilslast schon in demselben Rechtsstreit zu klären, der zwischen dem Pflichtteilsberechtigten einerseits und dem von diesem in Anspruch genommenen Miterben-Gesamtschuldner andererseits anhängig ist.
Welche Rechte hat der wegen des Pflichtteils als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Miterbe vor Zahlung des Pflichtteils gegen die anderen Gesamtschuldner?
2. Die materiell-rechtliche Rechtslage: der Befreiungsanspruch
a) Die Entstehung der Mitwirkungspflicht und der Befreiungsanspruch
Nach ganz überwiegender Meinung entsteht schon vor der gerichtlichen Feststellung der Forderung seitens des Gläubigers gegen einen der Gesamtschuldner sowie der Feststellung der jeweiligen Beteiligungsquote der einzelnen Gesamtschuldner, also schon mit der Entstehung und Fälligkeit der Gesamtschuldverbindlichkeit, eine auf dem Gesamtschuldverhältnis beruhende Mitwirkungspflicht. Wird ein Gesamtschuldner auf die gesamte Schuld vom Gläubiger in Anspruch genommen, so haben die Gesamtschuldner wechselse...