Leitsatz
§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt, dass dem Erbvertrag nachfolgende spätere Verfügungen von Todes wegen insoweit unwirksam sind, als sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden. Die in den Testamenten getroffenen Anrechnungsanordnungen stellen nach Sinn und Begriff Beeinträchtigungen iSv § 2289 Abs. 1 dar.
OLG München, Urteil vom 26. März 2008 – 15 U 4547/07
Sachverhalt
Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er sich eine schenkweise Zuwendung des Erblassers vom 27.7.1978 (K 3) auf seinen Erbteil nicht anrechnen lassen müsse. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte die Feststellung, dass sich der Kläger eine schenkweise Zuwendung aus dem Jahr 1997 iHv 600.000 DM auf seinen Erbteil anrechnen lassen müsse.
Der Kläger ist der leibliche Sohn, die Beklagte die mit dem Erblasser in dritter Ehe verheiratete Witwe des am 25.7.2003 verstorbenen Erblassers Dr. K. L. B. Der Kläger ist aufgrund Erbvertrags vom 4.9.1984 Erbe zu ... %, die Beklagte wurde zuletzt mit privatschriftlichem Testament vom 6.7.1999 (K 5) zur Alleinerbin eingesetzt, was im Hinblick auf den Erbvertrag vom 4.9.1984 zur Erbeinsetzung von nur ... % führte.
Am 27.7.1978 schlossen der Erblasser und der Kläger folgende privatschriftliche mit Schenkungsvereinbarung überschriebene Vereinbarung:
Zitat
"2. Herr L. B. jun. hat sich die heutige Schenkung im Betrag von 3,6 Mio. DM auf seinen Erb- oder Pflichtteil am künftigen Nachlass seines Vaters anrechnen zu lassen oder bei der Erbauseinandersetzung zur Ausgleichung zu bringen, ist aber zur Herauszahlung eines etwaigen Mehrbetrages nicht verpflichtet."
Im Jahre 1997 gewährte der Erblasser dem Kläger eine weitere Zuwendung iHv 600.000 DM, indem er auf Rückgriffsansprüche gegen den Kläger wegen vorangegangener Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft verzichtete. Im Hinblick hierauf fertigte der Kläger am 8.9.1997 folgende privatschriftliche Erklärung:
Zitat
"Der Unterzeichner, Herr L. B., anerkennt die Schenkung erhalten zu haben und erklärt hiermit dem Schenker, Herrn Dr. L. B., gegenüber ausdrücklich und unwiderruflich, dass er der Anrechnung der 600.000 DM auf etwaige Pflichtteilsansprüche am Nachlass des Schenkers zustimmt."
Im privatschriftlichen Testament vom 3.9.1998 setzte der Erblasser die Beklagte zu seiner alleinigen Erbin ein und setzte seinen Sohn (den Kläger) und seine Tochter auf den Pflichtteil, wobei er bestimmte:
Zitat
"Meinen Sohn L. sowie meine Tochter A. setze ich je auf den Pflichtteil, wobei ja auf ihren Pflichtteil dasjenige anzurechnen ist, was ich ihnen in der Vergangenheit zugewandt habe, auch wenn dadurch der Pflichtteil voll aufgebraucht ist. Bei meinem Sohn L. sind folgende Zuwendungen auf seinen Pflichtteil anzurechnen: "
a) 3.600.000 DM aus dem Jahr 1978
1.800.000 DM aus dem Jahr 1994
b) 600.000 DM aus dem Jahr 1997.“
Im Testament vom 15.3.1999 setzte der Erblasser (erneut) die Beklagte als Alleinerbin ein und bestimmte in Ziff. 3:
Zitat
"Mein Sohn L. hat in der Vergangenheit Zuwendungen im Betrag von insgesamt 6 Mio. DM erhalten, durch welche sein Pflichtteil, auf den er verzichtet hat, voll aufgebraucht wäre. Lediglich vorsorglich setze ich ihn auf den Pflichtteil."
Im Testament vom 6.7.1999 (K 5) setzte der Erblasser erneut die Beklagte zu seiner Alleinerbin ein. Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Anrechnungspflicht auf den Erbfall nicht wirksam, insbesondere nicht formwirksam, getroffen worden sei. (...)
Aus den Gründen
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da eine wirksame Anrechnungspflicht hinsichtlich der Schenkungen vom 27.7.1978 und aus dem Jahr 1997 nicht besteht. Im Einzelnen:
1. Schenkung (K3) vom 27.7.1978 (KLAGE):
a) Hinsichtlich einer direkten oder analogen Anwendung der §§ 2050 ff BGB wird auf die zutreffenden Ausführungen des LG Bezug genommen.
b) Eine – wie hier formlose privatschriftliche – Anrechnungsvereinbarung von Vorempfängen auf das künftige Erbrecht ist, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, weder direkt, noch analog § 2315 BGB möglich. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, da der Erblasser im Falle einer Erbeinsetzung – anders als bei der Pflichtteilsregelung – jederzeit durch neue letztwillige Verfügung die Anrechnung anordnen kann, wie er auch das Erbrecht durch neue Verfügung ändern oder wieder entziehen kann.
c) Der Berufungsangriff, die Anrechnungsvereinbarung vom 27.7.1978 enthalte entgegen dem LG schon begrifflich keinen Erbverzicht iSv § 2346 BGB (Blatt 156 f dA), ist mit den Ausführungen des Reichsgerichts in RGZ 71, 133, 136 unzutreffend. Da die Ausführungen des Reichsgerichts einen tragenden Teil auch der jetzigen Entscheidung bilden, seien sie ausdrucksweise wörtlich zitiert:
"Den Anforderungen, die das Gesetz an den Erbverzicht stellt, muss daher eine bei Lebzeiten des Erblassers von dem Pflichtteilsberechtigten ausgehende Pflichtteilsverringerung nicht nur dann entsprechen, wenn sich der Abkömmling des gesetzlichen Erbrechts und dadurch (§ 2346 Abs. 1 Satz 2) zugleich des Pflichtteilsrechts vollständig b...