Pflichtteilsklauseln in unterschiedlicher Ausgestaltung gehören seit jeher zum Inhalt gemeinschaftlicher Testamente und Ehegattenerbverträge, auch bei älteren Erblassern. Ziel derartiger Klauseln ist es, den pflichtteilsberechtigten Abkömmling von der Geltendmachung des Pflichtteils nach dem erstversterbenden Elternteil abzuhalten. In der Kautelarpraxis findet sich neben zwingenden Klauseln, die eine bedingte Erbeinsetzung, bzw. eine bedingte Enterbung (§ 2075 BGB) zum Inhalt haben, einfache Pflichtteilsklauseln (Anrechnungsklauseln), aber auch fakultative Pflichtteilsklauseln. Bei der fakultativ ausgestalteten Pflichtteilsklausel ist der länger Lebende berechtigt, die Schlusserbenbestimmung bei Geltendmachung des Pflichtteils zu ändern. Das bedeutet, entweder über diesen Erbteil frei zu verfügen oder aber den "frei werdenden Erbteil" bindend den übrigen eingesetzten Erben oder Abkömmlingen (und nur diesen) zuzuwenden. Bei derartigen Klauseln handelt es sich um eine besondere Ausprägung des sogen. Änderungsvorbehalts (Freistellungsklausel). Dieser Änderungsvorbehalt bezieht sich allein auf vertragsmäßige oder wechselbezügliche Verfügungen. Er unterscheidet sich dabei von dem im Gesetz ausdrücklich für den Erbvertrag vorgesehenen Rücktrittsvorbehalt (§ 2293 BGB) dadurch, dass der Rücktrittsvorbehalt dem Vertragspartner das Recht zur Beseitigung der vertragsmäßigen Verfügungen nur bei Lebzeiten des weiteren Vertrags schließenden zusteht (§ 2298 Abs. 2 S. 2 BGB). Ein Rücktritt nach dem Tode des anderen Vertragschließenden ist nur ausnahmsweise möglich (§§ 2294 ff BGB). Entsprechendes gilt für den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). In der Praxis wird meist zur Vereinbarung einer fakultativen Klausel geraten, da diese eine Reihe von Vorteilen gegenüber den zwingenden Klauseln hat. Aber auch hier stellt sich die Frage, welche Folgen eintreten, wenn der Längerlebende nicht mehr in der Lage ist, durch abändernde Verfügung von Todes wegen zu reagieren. Der Abkömmling, der in dieser Situation den Pflichtteil geltend macht, wird durch die fakultative Pflichtteilsklausel nicht mehr abgeschreckt, seine Erbenstellung ist weitgehend gesichert. Auch die von den Erblassern gewollte Vermögensverteilung ist zu seinen Gunsten verändert, da ihm zusätzlich zu seiner Erbenstellung nach dem länger Lebenden noch der Pflichtteil nach dem Erstversterbenden zusteht. Wollen sich die weiteren Abkömmlinge damit nicht abfinden, sind sie gezwungen, ebenfalls den Pflichtteil geltend zu machen. Damit erweist sich die fakultative Pflichtteilsklausel hier mitunter als "Schlag ins Wasser".
Eine ergänzende Auslegung in der Weise, dass der länger Lebende für diesen Fall die Wirkungen der Pflichtteilsklausel herbeigeführt hätte (im Sinne einer automatischen Pflichtteilsklausel oder einer Anrechnungsklausel), lässt sich nicht bejahen, denn auch für diesen Fall kann es Gründe geben, warum gerade die Geltendmachung des Pflichtteils akzeptiert worden wäre. Die weiteren Abkömmlinge können das Ergebnis der zu ihrem Nachteil abweichenden Vermögensverteilung allein dadurch verhindern, dass sie ebenfalls den Pflichtteil verlangen. Hier zeigt sich bei all den sonstigen Vorteilen der fakultativen Pflichtteilsklausel der Nachteil dieser Variante gerade bei älteren Erblassern. Der Wille, die gewünschte Vermögensverteilung durchzusetzen, kann hier jedoch mit einer zusätzlich zur fakultativen Pflichtteilsklausel angeordneten Anrechnungsklausel in der Weise durchgesetzt werden, dass der den Pflichtteil verlangende Abkömmling sich diesen auf seinen Erbteil nach dem länger Lebenden anrechnen lassen muss, etwa indem die Eheleute im Anschluss an die übliche fakultative Pflichtteilsklausel bestimmen, dass "derjenige Abkömmling, der den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden erhält, sich den erhaltenen Betrag auf seinen Erbteil nach dem länger Lebenden anrechnen zu lassen hat". Es handelt sich dabei um ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) für diejenigen Miterben, die nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil nicht erhalten haben, mithin wiederum bedingt ausgestaltet (§ 2162 BGB).