I. Die Familie als Wirtschafts- und Bedarfsgemeinschaft oder Verband
Nach Seiler muss die Besteuerung von Ehe und Familie im Lichte der besonderen Pfadabhängigkeit der steuerlichen Systematik gesehen werden. Deshalb müsse man jeden Reformansatz immer zuerst nach seinen systematischen Verknüpfungen befragen. Folglich müsse jeder, der die Wirkungen des Ehegattensplittings ändern möchte, bei ihren systembedingten Ursachen ansetzen. Diese lägen nicht im verfassungsrechtlich unangreifbaren Gemeinschaftscharakter der Ehe. Die entlastende Wirkung der Zusammenveranlagung sei nur die Kehrseite einer progressiven Belastung. Die ökonomischen Vorzüge des Ehegattensplittings ließen sich also verfassungskonform begrenzen, allerdings nicht durch gleichheitswidrige Zusatzlasten für manche Ehepaare, sondern durch ein Abschwächen der Progression für alle Steuerpflichtigen, seien sie verheiratet oder nicht. Ebenso müsse jeder, der familienaufkommensneutral entlasten wolle, gegenläufig Steuerpflichtige ohne Kinder belasten. Dabei dürfe wiederum nicht zwischen Ledigen und Verheirateten differenziert werden, weil sich die gesellschaftliche Verantwortung beider Gruppen für die Familie nicht unterscheide. Stattdessen solle man eine Neuordnung der Familienbesteuerung mit einer Zusatzbelastung für alle Steuerpflichtigen über eine geänderte Tarifstruktur verbinden. Dies sei sogar notwendige Bedingung der Funktionalität des ganzen Systems. Ein Familiensplitting, egal in welcher Gestalt, ginge dabei vorzugsweise mit einem flacheren Tarifverlauf einher. Denn Aufkommens- wie Umverteilungswirkung eines Familiensplittings hingen vor allem vom Tarifverlauf ab und würden durch dessen gleichzeitige Änderung sogleich in Grenzen gehalten.
II. Äquivalenzziffern als Basis der Besteuerung
Nach Prinz ist die Fokussierung der Familienbesteuerung auf das Splitting-Verfahren eigentlich zu eng und hat viele Implikationen, die heute infrage zu stellen seien. Ökonomen verwendeten bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit Äquivalenzziffern. Es werde empirisch danach gefragt, wie viel Einkommen ein Zweipersonenerwachsenenhaushalt oder ein Familienhaushalt brauche, um einem Singlehaushalt gleichzustehen. Unumstritten sei, dass die Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung eine Rolle spielen müsse. Zu fragen sei aber, wo unerwünschte verteilungspolitische Effekte aufträten. Deutschland gebe im europäischen Vergleich sehr viel für Familienförderung aus, liege aber bei allen Indikatoren, die die Effizienz dieser Umverteilungsmaßnahmen und der Sicherungsmaßnahmen angeben, bestenfalls im Mittelfeld. Bei der Kinderarmut liege Deutschland mit 16,3 % über dem OECD-Durchschnitt von 12,4 %. Hier würden offensichtlich Fehler gemacht. In anderen Ländern seien dies deutlich weniger. Wenn man Mittel in der Familienpolitik frei haben wolle, komme man möglicherweise nicht an einer Änderung der Familienbesteuerung vorbei. Dies sei auch im Kontext anderer europäischer Länder zu sehen, die schon vor einiger Zeit Änderungen vorgenommen hätten oder solche derzeit diskutierten. Auch in den USA sei dies derzeit ein Diskussionsthema. Auch dort zeigten sich große Probleme, so zum Beispiel eine noch höhere Kinderarmut als bei uns.