Leitsatz
1. Die Ausschlagung eines Vermächtnisses ist nicht fristgebunden. Eine entsprechende Anwendung der Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB auf Vermächtnisse kommt auch bei wechselbezüglichen Verfügungen im Sinn von §§ 2270, 2271 BGB nicht in Betracht.
2. Hat bei einem gemeinschaftlichen Testament der überlebende Ehegatte das ihm Zugewendete ausgeschlagen und eine neue abweichende Verfügung von Todes wegen getroffen und hat dies nach § 2270 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit der Verfügung des vorverstorbenen Ehegatten zur Folge, bleibt es bei der Unwirksamkeit selbst wenn der überlebende Ehegatte seine Verfügung erneut ändert.
BGH Urteil vom 12. Januar 2011 – IV ZR 230/09
Sachverhalt
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Drittwiderspruchsklage gegen die von der Beklagten betriebene Teilungsversteigerung eines Grundstücks. Die Mutter der Klägerin und ihres Bruders Walter K., des Ehemanns der Beklagten, ist die am 25. Juli 2000 verstorbene Erblasserin Gisela K. Sie war zusammen mit ihrem Ehemann Alfons K. Miteigentümer zu je 1/2 des Grundstücks. Am 30. Januar 2000 errichteten die Eheleute Gisela und Alfons K. ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem es unter anderem heißt:
Zitat
"1. Erbeinsetzung "
a) Erster Erbfall
Wir, die Eltern Alfons und Gisela K. setzen zu unseren Erben jeweils die beiden Kinder Walter und Ewelina ein und zwar Walter zu 2/3 und Ewelina zur Miterbin zu 1/3.
b) Zweiter Erbfall
Für den zweiten Erbfall setzt der überlebende Ehegatte von uns die beiden Kinder Walter und Ewelina jeweils zu Miterben ein und zwar Walter zum Miterben zu 2/3 und Ewelina zur Miterbin zu 1/3.
…
3. Vermächtnisse nach dem Tod des Erststerbenden von uns
a) Vermächtnis zugunsten des Überlebenden Ehegatten
Der überlebende Ehegatte erhält ein Vorausvermächtnis hinsichtlich des gesamten beweglichen Vermögens des vorverstorbenen Ehegatten.
Demgemäß bezieht sich das Vermächtnis auch auf das gesamte Inventar, die Sparkonten u.ä.
Außerdem erhält der überlebende Ehegatte den Nießbrauch an der gesamten Immobilie Brettener Str. 15 in G.
b) Unsere Tochter Ewelina K.-B. hat das Recht, von unserem Sohn Walter die Übertragung einer aus der Immobilie Brettener Str. 15 in G. zu bildenden Eigentumswohnung und zwar entsprechend der Wohnung Nr. 2 nach Maßgabe der notariellen Teilungserklärung vom 25.8.1997 zu verlangen und zwar unbelastet von der zu seinen Gunsten eingetragenen Grundschuld von DM 200.000,00 . …
c) Unsere Tochter Ewelina K.-B. kann von dem überlebenden Ehegatten verlangen, daß dieser ihr bis zu seinem Tode das alleinige Benutzungsrecht an der Wohnung Nr. 2 gewährt. Dieses Recht unserer Tochter stellt sich als Untervermächtnis zu dem Vermächtnisanspruch des überlebenden Ehegatten gemäß obengenannten Buchstabens a) dar.
4. Wechselbezüglichkeit
Die Erbeinsetzung und die Vermächtnisanordnungen sind vertragsgemäß. …Eine Abwendungsbefugnis für den überlebenden Ehegatten besteht nicht.
5. Anfechtungsverzicht
Der überlebende Ehegatte hat auch nicht die Möglichkeit, die Schlußerbeneinsetzung und die Vermächtnisanordnung gemäß § 2079 BGB wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten anzufechten.
…“
Vor diesem gemeinschaftlichen Testament hatte die Erblasserin bereits mit Testament vom 16. Juli 1998 die Klägerin als ihre Alleinerbin eingesetzt. Nach dem Tod der Erblasserin teilte Alfons K. dem Notariat B. mit Schreiben vom 20. November 2000 mit, das gemeinschaftliche Testament entspreche nicht seinem Willen, da er von der Erblasserin damit unter Druck gesetzt worden sei, dass sie sich das Leben nehmen werde. Am 2. Oktober 2001 übertrug Alfons K. seinen hälftigen Miteigentumsanteil auf den Ehemann der Beklagten. Letzterer betrieb zunächst die Teilungsversteigerung aus dem Grundstück, gegen die die Klägerin sich wandte. Durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 19. April 2005 (4 O 737/03) wurde die Teilungsversteigerung für unzulässig erklärt. Mit Schreiben vom 21. August 2005 gegenüber der Klägerin sowie dem Ehemann der Beklagten schlug Alfons K. das ihm zugewandte Vermächtnis aus. In einem handschriftlichen Testament vom 19. September 2005 setzte er den Ehemann der Beklagten als Alleinerben ein. Mit Vertrag vom 25. November 2005 übertrug der Ehemann der Beklagten dieser einen 2/18 Miteigentumsanteil an dem Grundstück.
Das Landgericht hat die Drittwiderspruchsklage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen wendet sich die Revision der Beklagten.
Aus den Gründen
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die materielle Rechtskraft des zwischen der Klägerin und dem Ehemann der Beklagten ergangenen Urteils, mit dem die von diesem betriebene Teilungsversteigerung für unzulässig erklärt worden war, wirke zwar nach § 325 ZPO auch gegenüber der Beklagten, stehe aber gemäß § 322 ZPO der nunmehr betriebenen Teilungsversteigerung wegen der veränderten Verhältnisse infolge der Ausschlagung des Vermächtnisses durch den überlebenden Ehegatten und der Errichtung eines neuen Testaments nicht generel...