Leitsatz
Ist eine Ersatzerbeneinsetzung nur aus der gesetzlichen Vermutung des § 2069 BGB herzuleiten, so ist die gesetzliche Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB nur dann anwendbar, wenn sich aus der letztwilligen Verfügung Anhaltspunkte ergeben, dass der Erblasser eine Einsetzung des Ersatzerben auch positiv gewollt hat.
OLG Hamm, Beschluss vom 15. Februar 2019 – 10 W 16/18
Sachverhalt
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Enkelkinder des am ... . ... . 2017 verstorbenen Erblassers T, geboren am ... . ... .1924. Der Erblasser war verheiratet mit T2, geboren am ... . ... .1920. Die Ehefrau ist am ... . ... . 1989 vorverstorben. Aus der Ehe ist der Sohn T3, der Vater der Antragsteller, als einziges Kind hervorgegangen. Der Antragsteller zu 1. ist am ... . ... . 1988 geboren, die Antragstellerin zu 2. am ... . ... . 1990. T3 ist am ... . ... . 1996 verstorben.
Die Eheleute T und T2 errichteten am 14.8.1986 ein notarielles Testament (Notar X in X2, Urkundenrolle Nummer .../1986). Dort heißt es in Absatz 4:
Zitat
Wir setzen uns gegenseitig zum alleinigen Erben ein. Erbe des Längstlebenden soll unser Sohn T3 sein.
Weiteres haben wir nicht zu bestimmen.
Nach dem Tod seiner Ehefrau verfügte der Erblasser durch privatschriftliches Testament vom 17.3.2008 wie folgt:
Zitat
Ich stelle klar, dass dieses Testament meinen letzten Willen enthält und widerrufe gleichzeitig etwaige zuvor errichtete Testamente, insbesondere mein Testament vom 23.2.2005.
Meine Ehegattin und unser Sohn T3 sind vorverstorben.
Ich setze meine Lebensgefährtin Frau S. C-Straße ... in XXXX4 X2 und das Altenheim St. K. N-Straße ... in X2 XXXX4 zu meinen alleinigen Erben je zu gleichen Teilen ein.
Ich ordne Testamentsvollstreckung an und bestimme zum Testamentsvollstrecker Herrn Rechtsanwalt N, geschäftsansässig L-Straße ... in XXXX9 C. ...“
Nach dem Tod des Erblassers wurde dem Beteiligten zu 5. auf seinen Antrag am 14.2.2017 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt. Die Antragsteller zu 1. und 2. beantragten mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 8.3.2017 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Erben zu je 1/2 ausweist. Der Antrag ist am 4.10.2017 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts Halle (Westf.) wiederholt worden. Die Antragsteller haben die Richtigkeit ihrer Angaben an Eides statt versichert. Sie haben das privatschriftliche Testament vom 17.3.2008 für unwirksam gehalten. Der Erblasser sei durch das gemeinschaftliche notarielle Testament vom 14.8.1986 gebunden gewesen. Gemäß § 2069 BGB seien sie als Abkömmlinge des in diesem Testament vorgesehenen Schlusserben als Ersatzerben anzusehen und demgemäß Erben ihres verstorbenen Großvaters geworden.
Der Beteiligte zu 5. hat seinerseits als Testamentsvollstrecker mit Schriftsatz vom 5.4.2017 die Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligten zu 4. und 5. als Erben zu je 1/2 beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass das privatschriftliche Testament vom 17.3.2008 wirksam sei. Der Erblasser sei durch das gemeinschaftliche Testament nicht gebunden gewesen, weil die Einsetzung des gemeinsamen Sohnes als Schlusserbe nicht wechselbezüglich sei. Das Testament enthalte dazu keine Anordnung. Der vorgesehene Schlusserbe sei vor Eintritt des Schlusserbfalls verstorben. Der Eintritt der Beteiligten zu 1. und 2. als Ersatzerben ergebe sich nicht aus einer Auslegung des Testaments, zumal beide Enkelkinder bei dessen Errichtung noch nicht geboren seien. Es komme lediglich die gesetzliche Vermutung gemäß § 2069 BGB in Betracht. Eine Bindungswirkung bezogen auch auf die Ersatzerben lasse sich selbst bei Annahme der Wechselbezüglichkeit hinsichtlich des Sohnes als Schlusserben nicht feststellen.
Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat mit dem am 6.12.2017 erlassenen Beschluss die Tatsachen, die zur Begründung des Antrages der Beteiligten zu 1. und 2. erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag des Beteiligten zu 5. zurückgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass die Beteiligten zu 1. und 2. als Enkelkinder des Erblassers dessen Erben geworden sind. Der Erblasser sei durch das gemeinschaftliche notarielle Testament vom 14.8.1986 gebunden gewesen. Nach der Auslegungsregel des § 2270 BGB sei die Einsetzung des gemeinsamen Sohnes als wechselbezüglich anzusehen. Der Erblasser habe deshalb nach dem Tod seiner Ehefrau nicht mehr frei testieren können. Er sei offensichtlich davon ausgegangen, dass die Bindungswirkung nach dem Tod des Sohnes entfallen sei. Dass anstelle seines Sohnes nunmehr dessen inzwischen geborene Kinder erbberechtigt sein würden, habe er offensichtlich nicht bedacht. Diese seien als Erben gemäß § 1924 Abs. 3 BGB an die Stelle ihres Vaters getreten. Aus dem Testament selbst ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute für den Fall, dass ihr Sohn vor dem überlebenden Ehegatten versterben würde, die Wechselbezüglichkeit des Testaments aufheben und dem überlebenden Ehegatten wieder vollständige Testierfreiheit einräumen wollten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung ...