Materialienkommentar Erbrecht
Dr. Claus-Henrik Horn (Hrsg.)
zerb verlag, 2019, 1662 Seiten, 169 EUR
ISBN 978-3-95661-105-6
(In Kooperation mit Nomos Verlag)
Endlich, auf dieses Buch habe ich lange gewartet. Und das nicht nur, weil ich die Gelegenheit hatte, den langwierigen Entstehungsprozess und die viele Arbeit, die damit verbunden war, aus der Ferne verfolgen zu dürfen. Nein, vielmehr deswegen, weil nun endlich ein Arbeitsmittel zur Verfügung steht, das nicht nur für literarische Eskapaden, sondern vor allem für die tägliche Mandatspraxis eine äußerst wertvolle Erkenntnisquelle und Unterstützung darstellt.
Zugegeben, die Materialien zum BGB reichen zurück bis in das Jahr 1873. Sie sind also beileibe nicht neu, dessen ungeachtet aber – jedenfalls teilweise – nach wie vor brandaktuell. Denn die Motive und Erwägungen des historischen Gesetzgebers geben gerade im Erbrecht, das ich seit dem Inkrafttreten des BGB am 01.01.1900 bei weitem nicht so stark verändert hat, wie viele andere Rechtsgebiete, mitunter einen tiefen (und durch nichts zu ersetzenden) Einblick, was der Gesetzgeber mit der einen oder anderen Norm eigentlich bezweckt hat.
Natürlich existiert mittlerweile eine breit gefächerte und sehr umfangreiche Kommentarliteratur, es gibt vielfältige Dissertationen, Aufsätze und sonstige literarische Beiträge. Auch die Rechtsprechung war in den letzten 120 Jahren nicht untätig. Demzufolge lassen sich aus den genannten Erkenntnisquellen sehr viele Antworten auf diverse Fragen zur Auslegung des Gesetzes finden, ohne dass man hierzu auf die Gesetzesmaterialien zurückgreifen müsste. Das ändert allerdings nichts daran, dass in der täglichen Mandatsarbeit (sicherlich nicht ständig, aber ab und zu) Problemstellungen auftauchen, zu denen sich keine veröffentlichten Gerichtsentscheidungen finden lassen und die auch in der Literatur noch keine explizite Erwähnung gefunden haben. Was dann?
Bis Ende letzten Jahres führte dann (jedenfalls für diejenigen, die sich nicht nur auf ihr eigenes Judiz verlassen wollten) der Weg in eine gut sortierte Universitätsbibliothek, um dort in den Motiven, den Protokollen oder auch bei Mugdan zu recherchieren. Eine aufwändige, lästige und für diejenigen, die im Lesen der Frakturschrift nicht mehr so recht geübt sind, auch etwas anstrengende Aufgabe. Das alles ist jetzt viel einfacher: denn Ende 2019 hat Dr. Claus-Henrik Horn den hier zu besprechenden "Materialienkommentar Erbrecht" vorgelegt. Dieses Kompendium umfasst die (wörtlichen, nicht redigierten) in die uns geläufige lateinische Schrift transponierten Abschriften der Materialien zum V. Buch des BGB, im Einzelnen:
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Entwurf eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich (Teilentwurf zum Erbrecht aus dem Jahr 1879), |
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Recht der Erbfolge. Änderungsvorschläge des Referenten (Aktualisierter Teilentwurf zum Erbrecht aus dem Jahr 1886), |
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Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich Band. V (Motive der 1. Kommission), |
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Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Erste Lesung. (Entwurf 1 der 1. Kommission), |
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Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Protokolle der 2. Kommission), |
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Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich. Zweite Lesung. (Entwurf 2 der 2. Kommission – Redaktionskommission), |
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Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs und eines zugehörigen Einführungsgesetzes (Entwurf 2 rev. der 2. Kommission – Bundesratsvorlage), |
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Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs nebst drei Anlagen (Denkschrift) |
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Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dem Reichstage vorgelegt in der vierten Session der neunten Legislaturperiode (Entwurf 3 – Reichstagsvorlage). |
So gewährleistet der Materialkommentar Erbrecht einen vollständigen Überblick sowohl über die Entstehungsgeschichte der uns heute bekannten Normen als auch über die Hintergründe und Diskussionen, die zum jetzigen Stand geführt haben.
Aber damit nicht genug: Soweit relevant, enthält der Kommentar auch die Materialien zu den Gesetzesreformen seit dem 01.01.1900, insbesondere zum Erbrechtsänderungsgesetz vom 24.09.2009 (sog. Erbrechtsreform) und gibt daher ein vollständiges Bild der Gesetzeshistorie bis zum heutigen Tag.
Wie gesagt: Die gebündelten Informationen braucht nicht nur der Wissenschaftler bzw. der Autor. Vielmehr sind sie auch für den Praktiker hilfreich und wertvoll. Es ist daher zu wünschen, dass das vorliegende Werk seinen Weg nicht nur in Universitäts- und Gerichtsbibliotheken, sondern auch in die Handapparate möglichst vieler anwaltlich tätiger Kolleginnen und Kollegen finden wird. Das Niveau der juristischen Auseinandersetzung kann davon nur profitieren.
Von Rechtsanwalt, FA für Steuerrecht und Steuerberater Dr. Christopher Riedel, LL.M., Düsseldorf
ZErb 5/2020, S. 190 - 191