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Die "Pflicht" des Nachlasspflegers zur Insolvenzantragstellung wird – anders als die des Nachlassverwalters, die unstreitig besteht – kontrovers diskutiert; und zwar nochmals unterschiedlich nach erbrechtlicher bzw. insolvenzrechtlicher Betrachtung. Nun erfordern insuffiziente Nachlässe eben eine Schnittmenge aus beidem. Der vorliegende Beitrag möchte daher aufgrund der Spezialisierung und Tätigkeit des Autors als Insolvenzverwalter überwiegend in Nachlassinsolvenzverfahren sowie Nachlasspfleger – letztere für die sich manifestierende insolvenzrechtliche Betrachtung – sensibilisieren. Die rechtzeitige Insolvenzantragstellung durch einen Nachlasspfleger kann nämlich nicht nur Schaden von ihm selbst abwenden, sondern letztlich aufgrund der Rechtsinstitute des Insolvenzrechts dem Nachlass an sich dienlich sein.

I. Nachlasspflegschaft: Schnittmenge aus Insolvenz-/Erbrecht

Der Blick auf die Schnittmenge aus Insolvenzen und Nachlässen ist zu empfehlen, und zwar für Insolvenzverwalter sowie Nachlasspfleger. Nicht selten fehlen nämlich Insolvenzverwaltern hinreichende Bezüge zu erforderlichen erbrechtlichen Besonderheiten – und andersrum.[1] Einer der Hinweise auf der Rückseite der Verpflichtungsurkunde für Nachlasspfleger lautet lapidar: "… Falls der Nachlass überschuldet sein sollte, ist von Ihnen in der Regel ein Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen." Und nun? Es empfiehlt sich also zweifelsohne, ein spezialisiertes Standardwerk[2] zur Hand zu haben, wenn es um nicht auskömmliche Nachlässe geht.

Der vorliegende Beitrag bringt über praktische Beispiele hinaus Anregungen für den Nachlasspfleger – auch zur Haftungsvermeidung im Einzelfall! Denn um das Ergebnis zur Frage der Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger oder/und dessen Haftung bei "verspäteter" Insolvenzantragstellung vorweg zu nehmen: In der Literatur manifestiert sich zwischenzeitlich die – wohl noch als Mindermeinung einzuordnende – Auffassung, dass auch für den Nachlasspfleger eine Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung bestehen kann.[3] Die gelebte Praxis der Insolvenzverwaltung in Nachlass-Insolvenzverfahren zeigt zudem unstreitig, dass mit einer "unterlassenen" oder "verzögerten" Antragstellung für den Nachlasspfleger[4] im Einzelfall jedenfalls Schadensersatz- und sonstige Ansprüche einhergehen können. Selbst Haftpflichtversicherungen dem Berufsrecht unterfallender Nachlasspfleger zahlen nicht selten aufgrund dessen an den Nachlass-Insolvenzverwalter – so die Praxis der Insolvenzverwaltung. Zunächst aber zwei Praxisbeispiele[5] zur Illustration/besseren Nachvollziehbarkeit:

[1] Dazu exemplarisch Moderegger, Insbüro 2014, 259; vertiefend Weiß/Joannidis, ZInsO 2016, 1889; oder Weiß/Isekeit, ZErb 9/2016, 249.
[2] Exemplarisch Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch Nachlassinsolvenzverfahren, 2.’Auflage, Berlin 2018.
[3] Roth, RPfleger2019, 495, 496 m.w.N. in Fn 8.
[4] Ggf. aber auch für das Nachlassgericht.
[5] Natürlich zu Zwecken der "Anonymisierung" abgewandelte und auf das Wesentliche verkürzte.

1. Der "verspätete" Insolvenzantrag

Der Nachlasspfleger war bevor er Insolvenzantrag stellte in einem recht überschaubaren Nachlass rd. 1,5 Jahre tätig. Stellt man seine beiden Nachlassverzeichnisse für den Zeitraum gegenüber, haben sich die Aktiva im Berichtszeitraum um rd.’9.000 EUR reduziert. Rund vier Monate nach Verpflichtung als Nachlasspfleger wurden Kleingeräte verwertet. Die Unterdeckung hatte sich indes im Berichtszeitraum um weitere ca. 8.000 EUR erhöht. Betraglich auffällig ist in dem eingangs genannten Zusammenhang insbesondere die Reduzierung des’Guthabens auf einem Girokonto um rechnerisch rd.’7.000 EUR. Einen verbleibenden Guthabenbetrag auf dem Erblasser-Konto i.H.v. rd. 4.000 EUR konnte der dann bestellte vorläufige Insolvenzverwalter noch sichern. Der Nachlasspfleger hatte ausweislich der Berichterstattung zuvor angegeben, daraus weitere Gläubiger befriedigen und’einen verbliebenen Teil seines Vergütungsanspruches entnehmen zu wollen. Kurz vor der Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger hatte er noch ein Aufgebotsverfahrens in die Wege geleitet, somit Kosten verursacht; dann aber – nach schriftlichem Austausch mit dem Nachlassgericht – wenige Tage darauf dennoch Insolvenzantrag gestellt. Einen verbliebenen Betrag von wenigen hundert Euro machte der Nachlasspfleger letztlich im Nachlassinsolvenzverfahren als Masseverbindlichkeiten gem. § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO geltend.

 
Hinweis

Exkurs: Bereits zu Eingang seines Berichtes an das Nachlassgericht und somit mehrere Monate vor dem Insolvenzantrag hatte der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht mitgeteilt, dass eine weitere Erbenermittlung wegen zu erwartender Überschuldung des Nachlasses untunlich sei. Der Insolvenzverwalter machte zwischenzeitlich gegen den Nachlasspfleger entsprechende Ersatzansprüche geltend. Man einigte sich i.E. vergleichsweise zugunsten der Insolvenzmasse.

2. Die "proaktive" Insolvenzantragstellung

Rund 14 Wochen nach Beauftragung und hinreichendem Überblick über die Vermögenssituation des Nachlasses informierte der Nachlasspfleger die umfassend ermittelten Nachlassgläubiger auch ...

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